Der Sachverständigenrat hat Vorschläge zur Reform des Rentensystems gemacht. Doch nicht alle von ihnen können überzeugen. Ein Kommentar.
Deutschland altert – und zwar rapide. Das hat die fünf Wirtschaftsweisen veranlasst, in ihrem jüngsten Jahresgutachten die Folgen der Alterung für das Rentensystem genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei haben sie Reformvorschläge von unterschiedlicher Güte entwickelt.
Kern einer langfristigen Reform, so die Sachverständigen, sollte die Kopplung des Rentenzugangsalters an die künftige Lebenserwartung sein. Zudem fordern sie den Aufbau einer ergänzenden, kapitalgedeckten Säule der Altersversorgung. Beides ist im Grunde genommen vernünftig. Allerdings muss hinter die Idee, für die Kapitaldeckung einen staatlich verwalteten Fonds ins Leben zu rufen, ein dickes Fragezeichen gesetzt werden. Denn je mehr der Staat bei der Geldanlage mitmischt, desto größer ist die Gefahr, dass nicht Renditeerwägungen, sondern Ideologie die Anlageentscheidungen bestimmt.
Um die schon in wenigen Jahren auf die Rentenversicherung zurollende Belastung durch den Renteneintritt der Babyboomer zu entschärfen, bringen die Weisen die Idee ins Spiel, die Rentenerhöhungen künftig nicht mehr an den Lohnzuwächsen, sondern an der Inflation auszurichten. Die Rentner erhalten so zwar einen Ausgleich für den Kaufkraftverlust des Geldes, werden aber nicht mehr an den Produktivitätszuwächsen beteiligt, die der wichtigste Treiber für die Löhne sind. Die Folge: Die Wohlstandsentwicklungen von Rentnern und Erwerbstätigen entkoppeln sich.
Bye-bye, Deutschland
Um zu verhindern, dass Bezieher niedriger Renten dadurch in die Armutsfalle tappen, schlagen die Wirtschaftsweisen eine nach Einkommen differenzierte Rentenberechnung vor. Personen mit niedrigen Erwerbseinkommen und entsprechend niedrigen Rentenansprüchen erhalten dabei überproportional hohe Renten, Gutverdiener mit hohen Rentenanwartschaften hingegen erhalten weniger Rente als ihnen eigentlich zusteht. Die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, von Einzahlungen und Auszahlungsansprüchen, die das leitende Prinzip der Rentenversicherung ist, wird faktisch außer Kraft gesetzt, die Rentenversicherung zu einer neuen Umverteilungsmaschine umgemodelt.
Die Wirtschaftsweisen rechtfertigen das mit dem Argument, ohne die Umverteilung innerhalb der Generation der Rentner müssten die Erwerbstätigen die von Altersarmut bedrohten Empfänger niedriger Renten über das Steuersystem alimentieren. Das sei aus verteilungspolitischen Gründen nicht zu rechtfertigen.
Was die fünf Weisen jedoch übersehen, ist die abschreckende Wirkung, die ihre Umverteilungsidee auf junge, qualifizierte Leistungsträger hat, die Deutschland (und die Rentenversicherung) so dringend benötigt. Sie dürften angesichts der Aussicht, später Opfer der neuen Umverteilungsmechanismen zu werden, vermehrt dem Standort Deutschland adieu sagen, und zwar für immer. Dann aber fällt das Rentensystem in sich zusammen wie ein Kartenhaus, dem man die Stütze entzieht. Die Umverteilungsnummer, die sich die Wirtschaftsweisen da ausgedacht haben, ist eine Schnapsidee. Sie droht am Ende mehr Schaden anzurichten als Nutzen zu stiften.
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