Robert Pausch

Das wird teuer – für die Grünen

17.10.2023
Lesedauer: 7 Minuten
Vizekanzler Robert Habeck ist nicht nur ein begnadeter Redner. Er hat auch ein besonderes Talent darin, seinen Gegnern Steilvorlagen gegen seine Partei zu bieten. © IPON/​imago images

Robert Habeck wirbt dafür, dass die deutsche Wirtschaft ihre Abhängigkeit von China reduziert. Doch der zentralen Frage geht er aus dem Weg. Schon wieder.

Wenn man einen politischen Fehler zum ersten Mal macht, ist es ärgerlich. Wenn man einen Fehler zum zweiten Mal macht, ist es vielleicht ein bisschen blöd. Wenn man allerdings einen Fehler zum dritten Mal begeht, ist es ziemlich sicher kein Zufall mehr, sondern, ja was eigentlich? Masochismus? Oder Ideologie?


Ende vergangener Woche jedenfalls trat Vizekanzler Robert Habeck ans Rednerpult, um einige grundsätzliche Anmerkungen zu den Perspektiven deutscher Wirtschaftspolitik im Herbst 2023 zu skizzieren. Anlass seiner Rede war eine große Tagung in seinem Ministerium, bei der sich Wirtschaftsvertreter mit Ministerialbeamten darüber austauschen sollten, wie es denn nun weitergehe mit dem deutschen Wachstumsmodell. Und wie man umgehe mit der Exportabhängigkeit in Zeiten zunehmender Konkurrenz der Großmächte, die den freien und grenzüberschreitenden Austausch von Waren auf die Probe stelle.

Auf diesen Punkt machte Habeck in einer zentralen Passage seiner Rede aufmerksam. Das wirtschaftliche Geschehen sei – anders als in der ordoliberalen Lehre – nicht apolitisch, sondern stets eingewoben in ein „Geflecht von Macht und Interessen“. Abhängigkeiten bedeuten, siehe russisches Gas, Verwundbarkeit. Das wiederum sei für die Zukunft, insbesondere für das Geschäft mit einem Land, von Bedeutung: China. Hierbei handele es sich, sagte Habeck, nicht bloß um eine billige Werkbank oder einen „immer freundlichen Abnehmermarkt“, sondern um ein Land mit starken eigenen Interessen.  

Nicht immer nur in China die Fabrik bauen

Für Deutschland gehe es darum, eine Handelsnation zu bleiben, aber zugleich nicht naiv zu sein. Und nicht naiv zu sein, das bedeute, den Handel nicht einseitig auf eine Nation zu konzentrieren. Also, wie es Habeck formulierte, „nicht immer nur in China die Fabrik bauen“. Stattdessen müsse man insbesondere bei kritischen Rohstoffen, aber auch darüber hinaus, auf Diversifizierung setzen.

Diese Zustandsbeschreibung ist erst einmal nicht ganz neu. Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze erläuterte schon vor einiger Zeit, wie in den USA Prinzipien wie ökonomische Effizienz oder Freihandel dem Ziel der Souveränität unter den Bedingungen geopolitische Konkurrenz Stück für Stück untergeordnet würden. Auf die Epoche der Liberalisierung des Welthandels folge nun eine Phase der Politisierung. De-Risking lautet das Schlagwort, das sich die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hierfür überlegt hat. Nicht mehr der möglichst günstige Preis von Waren ist das entscheidende Kriterium, sondern die Sicherheit der Lieferketten.

Lieferketten breit aufstellen, neue Märkte erschließen

Ebenso interessant wie weitreichend sind nun die Fragen, die sich aus diesem ökonomischen Paradigmenwechsel ergeben. Um die politische Gefahr zu erkennen, die sich darin verbirgt, lohnt es sich, dem Wirtschaftsminister für einen Moment im Wortlaut zuzuhören. Habeck erklärt: „Die Zeit, wo wir immer nach China verkaufen konnten und das Gas immer günstig aus Russland kam, sie ist erst einmal vorbei.“ Stattdessen gehe es nun darum, Lieferketten breit aufzustellen und neue Märkte zu erschließen.

Habeck: „Ein Teil dessen, was ich angesprochen habe, ist teuer. Notwendigerweise. Denn wäre es billig, wären die Rohstoffketten ja schon diversifiziert. (…) Wenn wir sagen, wir wollen nicht mehr alle Rohstoffe nur aus China, sagen wir damit implizit – und das muss man sich klarmachen – wir sind auch bereit, teurer einzukaufen (…). Die Konsequenz aus alledem, was ich sage, ist, dass wir bereit sein müssen, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Ich rede von Kriterien, die sich nicht aus dem Markt heraus ergeben. Und deswegen, das will ich nur aussprechen: Man kriegt Wirtschaftssicherheit und neue Märkte und eine diversifizierte Handels- oder Rohstoffkette nicht ohne einen Preis. Und die Frage ist: Sind wir bereit, diesen Preis zu zahlen?“

Wer ist dieses Wir?

Bekanntermaßen ist Robert Habeck einer der besten Rhetoriker der deutschen Politik. Deshalb fällt einem sofort die Kluft zwischen der begrifflichen Schärfe auf der einen Seite und der Unbestimmtheit auf der anderen ins Auge, die seine Rede prägt. Einerseits fordert Habeck eine Schubumkehr: von ökonomischer Effizienz hin zu Resilienz. Doch bei der Frage nach den Kosten für diese Operation nutzt er die denkbar schwammigste Formulierung: „Sind wir bereit, diesen Preis zu zahlen?“

Die politisch entscheidende Frage lautet allerdings: Wer ist dieses Wir? Wer soll den Preis der Diversifizierung und des De-Riskings zahlen? Kurzum: Wie werden die Kosten verteilt?

Die Grünen liegen in den Umfragen derzeit bei 13 Prozent, wozu neben ihrer Atomkraft-Antipathie in jüngerer Zeit vor allem zwei Episoden beigetragen haben.

Politisch wurden die Kosten komplett auf die Grünen umgelegt

Im Sommer des vergangenen Jahres erdachte Habecks Ministerium das Instrument der sogenannten Gasumlage. Die Herausforderung bestand damals darin, dass Gasimporteure vor dem Bankrott standen und der Gasmarkt zu kollabieren drohte. Um dies zu verhindern, sollten Verbraucher auf die ohnehin schon horrenden Gaspreise einen kleinen Aufschlag zahlen und so die strauchelnden Unternehmen retten.

Ökonomisch galt das zu diesem Zeitpunkt als beinahe alternativlos. Politisch allerdings wurden die Kosten vollumfänglich auf die Grünen umgelegt: Die Besserverdienerpartei schere sich nicht darum, wer am Ende die Rechnung bezahlt. Und während man in grünen Milieus Inflation nur vom Hörensagen kenne, sollten nun arme Haushalte auf die verdoppelte Gasrechnung noch einen Soli für kriselnde Unternehmen bezahlen. So ähnlich formulierte es die politische Konkurrenz, von der Union bis zur SPD. Und das durchaus mit Erfolg.   

Von der Volks- zur Klientelpartei

In diesen Tagen begann der Abstieg der Grünen, der dann mit dem Heizungsgesetz so richtig Fahrt aufnahm. Auch hier war die Ausgangslage ähnlich: Habecks Haus erdachte ein Gesetz, in dem die Wärmewende akribisch ausgearbeitet, die Verteilung der Lasten jedoch nicht adressiert wurde. Ganz erkennbar dachten Habecks Leute viel nach über klimapolitische Einsparziele, Beimischquoten für Biogase und Übergangsfristen in Altbauten. An die Belastung, die ein Heizungstausch insbesondere für ärmere Menschen mit sich bringt, dachten sie kaum. Jedenfalls fanden sich im ersten Gesetzentwurf dazu bloß ein paar spärliche Sätze. Innerhalb eines Jahres schrumpften die Grünen von der Volks- zur Klientelpartei, auch weil sie sich für die soziale Frage oft erst dann interessierten, wenn es schon zu spät war.

Umso erstaunlicher ist es, dass Habeck nun drauf und dran ist, denselben Fehler ein drittes Mal zu begehen, indem er das De-Risking bloß auf der Ebene der Geo- und Wirtschaftspolitik betrachtet. Wenn man politisch dafür argumentiert, nicht den günstigsten Lieferanten zu wählen, sondern den sichersten und wenn man zu Recht darauf hinweist, dass dies nicht zu machen ist, ohne dass Waren auch für Verbraucher teurer werden – dann stellt sich schon die Frage, wie man dies alles tun kann, ohne zugleich die Verteilungsdimension einer solchen Politik zu benennen.

Was Habeck hätte sagen können

 „Ich werde mich dafür einsetzen, dass den Preis dafür nicht diejenigen zahlen, die sowieso schon unter horrenden Lebensmittelpreisen, steigenden Mieten und niedrigen Gehältern leiden“, das wäre ein einfacher Satz, den Habeck hätte sagen können. Oder zumindest: „Wir als Bundesregierung werden dafür sorgen, dass die Lasten gerecht verteilt werden.“

Stattdessen aber sagte er am Schluss seiner Rede: „Ich persönlich glaube, und das sage ich mit großer Dringlichkeit und mit großem Ernst, dass diese Zeit eine Wasserscheidenzeit ist. Deswegen meine ich, wir müssen die Dinge anders machen und auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.“ Hier wiederum lässt sich leicht sagen, wer das Wir ist, das die politischen Konsequenzen tragen dürfte: der Bundeswirtschaftsminister und seine Partei.

De-Risking muss man sich leisten wollen, und man muss es sich leisten können. Wer diese Gerechtigkeitsfrage nicht adressiert, wer sie verhüllt und verschweigt, der sollte nicht allzu verwundert sein, wenn bald wieder die Rede davon ist, dass es die Grünen sind, die das Leben der Normalverdiener teurer machen.



Das könnte Sie auch interessieren

Wegen westlicher Raketen
21.11.2024
Deindustrialisierung
21.11.2024
805 Strafanträge seit Amtsantritt
21.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

16 + 14 =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

Gunnar Schupelius – Mein Ärger
17.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien