Immer wieder werden Politiker in Deutschland bedroht oder angegriffen. Die nun bekannt gewordenen Drohungen gegen die AfD-Chefin Alice Weidel markieren eine neue Stufe. Verstörend ist nicht nur die Dummheit der Aggressoren, sondern dass es keinen Aufschrei gibt.
Drei Meldungen aus dem politischen Alltag in Deutschland, die kaum noch für besonderes Aufsehen sorgten. Im April wurde in Berlin-Neukölln ein Mitarbeiter des Linke-Abgeordneten Niklas Schrader in dessen Wahlkreisbüro bedroht, beleidigt und geschlagen. Er hatte den Täter zuvor zur Rede gestellt, weil dieser immer wieder auf die Fensterscheibe des Wahlkreisbüros gespuckt hatte.
Im Juni wurde in Hamburg ein Anschlag auf das Möbelgeschäft des ehemaligen Landesvorsitzenden der Linken Keyvan Taheri verübt. Die Täter legten Feuer im Eingangsbereich des Hauses, in dem sich auch Wohnungen befinden.Und im August wurde der Augsburger AfD-Vorsitzende Andreas Jurca auf dem Heimweg nach einer Veranstaltung schwer verletzt. Nach eigenen Angaben war er von einer Gruppe junger Männer angegriffen worden.
Die jetzt bekannt gewordenen Drohungen gegen die AfD-Chefin Alice Weidel markieren eine neue Stufe. Vor anderthalb Wochen habe es einen „sicherheitsrelevanten Vorfall“ gegeben, so ein Sprecher der Politikerin. Weidel, ihre Partnerin und die beiden Kinder seien von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort gebracht worden, da sich Hinweise auf einen Anschlag verdichtet hätten. Deshalb habe Weidel am Dienstag auf den geplanten Auftritt bei einer AfD-Veranstaltung zur bayerischen Landtagswahl im bayerisch-thüringischen Mödlareuth verzichtet.
Was an solchen Drohungen gegen Politiker verstört, ist nicht nur die Verblendung und Dummheit der Aggressoren, die nicht merken, dass sie dem politischen Gegner – den sie angeblich in die Schranken weisen wollen – viel mehr Aufmerksamkeit sichern, als dieser sonst bekäme. Beschämend ist vor allem, dass es keinen Aufschrei gibt, wie er sonst schon bei politischen Lappalien orchestriert wird. Hier paaren sich Schadenfreude, Gleichgültigkeit und eine generelle Verachtung des politischen Betriebs.
Man muss gar nicht so pathetisch werden wie der französische Philosoph Voltaire in dem ihm zugeschriebenen Zitat: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“ Zum Glück ging es bis jetzt in Wahlkämpfen hierzulande nicht um Leben und Tod.
Es würde schon reichen, wenn in der heißesten Phase der Auseinandersetzung die Stimmen aller Demokraten vernehmbar wären, wenn es um die Verurteilung und Ablehnung von Gewalt geht. Egal, auf welcher Seite die Opfer politisch stehen.