Kaum schicken Deutschland und andere Länder Kampfpanzer in die Ukraine, wird der Ruf nach Kampfflugzeugen laut. Aber ist das sinnvoll? Ein Überblick.
Lange hat der Westen gestritten, lange hat die Bundesregierung gezögert. Nun schickt Deutschland Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine, zusammen mit einer internationalen Panzerallianz. Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war das ein diplomatischer Erfolg, und die Ukraine bekommt in ihrem Verteidigungskampf gegen die russische Invasion moderne Waffensysteme. Aber die von vielen erhoffte Atempause in der Waffendebatte bleibt trotzdem aus.
Denn Scholz zog zwar am Mittwoch im Bundestag eine neue rote Linie: Deutschland wird keine Kampfjets in die Ukraine schicken. Doch die USA und Frankreich schließen die Lieferung von Kampfflugzeugen nicht aus. Deswegen wird nun auch in Deutschland darüber diskutiert, und die Nerven, so scheint es, liegen schon wieder blank. Kommt nun also nach der Kampfpanzer-Wende auch die Wende bei Kampfjets? Und wäre das überhaupt sinnvoll?
Putin will Waffenlieferungen verhindern
Militärisch ergibt der Einsatz von westlichen Kampfflugzeugen in der Ukraine derzeit kaum Sinn. Denn dann müsste die Ukraine auch Flugabwehrstellungen in Russland angreifen, damit die Jets über ukrainischem Luftraum operieren können, ohne abgeschossen zu werden. Eine Flugverbotszone galt im Westen als rote Linie: Die Ukraine soll sich verteidigen und den Aggressor vertreiben dürfen, aber Russland auf keinen Fall auf eigenem Staatsgebiet angreifen. Die USA und Frankreich zeigen vielmehr dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit ihrer grundsätzlichen Bereitschaft, dass auch der Westen noch Eskalationspotenzial besitzt.
Viele Menschen in Deutschland sind von der Waffendebatte genervt, viele haben auch Angst vor einer weiteren Eskalation des Krieges und davor, dass Deutschland und die Nato möglicherweise mit in diesen Krieg hineingezogen werden. Diese Ängste sind verständlich, wenngleich sie eigentlich nicht begründet sind.
Waffenlieferungen machen die Nato völkerrechtlich nicht zur Kriegspartei. Zwar nutzt die russische Propaganda dieses Narrativ und sieht Russland schon jetzt in einem Stellvertreterkrieg mit der Nato und vor allem mit den USA. Aber das dient vor allem dazu, die eigenen militärischen Misserfolge in der Ukraine zu kaschieren.
Bisher hat Putin in Bezug auf die westlichen Waffenlieferungen keine roten Linien gezogen. Aus dem Kreml kam keine Verlautbarung, dass die Lieferungen von Panzern oder Flugzeugen einen direkten Kriegseintritt der Nato bedeuten würden. Nicht ohne Grund, denn Russlands Arsenal an konventionellen Waffen ist begrenzt. Der Kremlchef weiß genau, dass er kaum eine Chance hätte, gegen einen kollektiven Westen seine Kriegsziele zu erreichen. Deswegen spielt er mit der Angst vor einem Weltkrieg, um den Westen zu spalten und zu schwächen.
Es ist also gar nicht im Interesse Putins, den Westen in diesen Krieg hineinzuziehen, im Gegenteil.
Ukraine kämpft um ihr Überleben
Die Ukraine dagegen befindet sich in einem existenziellen Krieg. Auf den ersten Blick mag es aus westlicher Perspektive undankbar oder maßlos erscheinen, dass Kiew nun direkt nach der Kampfpanzer-Wende weitere Forderungen stellt, auch an Deutschland. Doch ist es die Aufgabe der ukrainischen Führung, eben das zu tun.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj braucht in dem Kampf gegen Russland jede Waffe, die er kriegen kann. „Weil die Ukrainer um ihr Überleben kämpfen. Kann es beim Kampf ums eigene Überleben eine Maßlosigkeit geben?“, fragte Claudia Major, Sicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, im Gespräch mit t-online. „Wollen wir im Westen sagen: ‚Na ja, ein wenig Morden müsst ihr halt schon ertragen – aber Kampfjets gibt’s eben nicht‘? Zudem fordert Selenskyj nicht, sondern er bittet.“
Dass Selenskyj um Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge bittet, erklärt sich auch aus folgendem Grund: Nach vielen erfolgreichen ukrainischen Angriffen auf russische Waffendepots im vergangenen Jahr legt die russische Armee diese nun außerhalb der Reichweite der ukrainischen Artillerie an.
Zurzeit wechselt das Momentum in dem Krieg zudem wieder auf die Seite der russischen Armee. Putin hat Soldaten mobilisiert, und seine Truppen bereiten sich auf eine Offensive im Frühjahr vor. Besonders im Angesicht der westlichen Panzer wird Russland wahrscheinlich versuchen, seine operativen Bemühungen zu beschleunigen, solange die modernen schweren Waffen noch nicht auf den Gefechtsfeldern sind.
Russische Flugabwehr ist ein Problem
Während Kampf- und Schützenpanzer durchaus auf den Gefechtsfeldern Geländegewinne erzielen können, ist die Möglichkeit, Kampfflugzeuge gewinnbringend einsetzen zu können, durchaus umstritten. Russland verfügt über die mit am leistungsstärksten Flugabwehrsysteme der Welt, die in einem großen Radius den Luftraum überwachen können. Die S-400- und S-300-Systeme sind im Osten der Ukraine, in Westrussland, in Belarus und auf der Krim. Deswegen wären Kampfflugzeuge nur dann sinnvoll, wenn die Ukraine über größere Mengen verfügte.
Aber das ist momentan nicht in Sicht, denn eigentlich kann es sich kaum ein Land leisten, Kampfjets in größerer Stückzahl abzugeben. Deutschland besitzt nur knapp 140 Eurofighter und weniger als 90 Tornados. Dabei ist unklar, wie viele davon überhaupt einsatzbereit sind, und die Bundesrepublik braucht die Tornados selbst für die eigene atomare Abschreckung.
Das bedeutet: Deutschland ist in der Kampfflugzeugfrage für eine internationale Allianz nicht so gefragt wie bei den Panzern. Andere Staaten wären da gefordert. „Ich sehe keine deutschen Kampfflugzeuge in der Ukraine“, sagte zuletzt auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bei „Maybrit Illner“ im ZDF.
Deutschland kann für den Moment Ruhe bewahren
Es geht in der internationalen Debatte also eher um die Lieferung von F-16 oder von MiG-29. Die Niederlande zeigten sich offen für die Abgabe ihrer F-16, und Polen könnte MiG-29 abgeben. Die USA und Frankreich haben zumindest eine Unterstützung der Ukraine mit Kampfjets nicht ausgeschlossen. Das hat aber zunächst eine politische Dimension, das sind Warnungen an Putin.
Militärisch ist der Einsatz von Kampfflugzeugen zudem heikel. Die Ukraine müsste Luftabwehrstellungen auch auf russischem Staatsgebiet angreifen, und das wäre eine neue Dimension in dem Konflikt. Es müsste außerdem ausreichend Start- und Landeflächen geben. Russland greift aber immer noch gezielt Infrastruktur in der Ukraine mit Drohnen und Raketen an. Die MiG-29 hat in dem Konflikt schon bewiesen, dass sie auch von Autobahnen starten kann, und ukrainische Piloten müssten nicht erst an dem Waffensystem ausgebildet werden. Das wäre zumindest ein Vorteil.
Letztlich müssten aber erst einmal die westlichen Militärstrategen zusammen mit der Ukraine entscheiden, welche Lieferungen die Ukraine am besten unterstützen könnten. Frankreich steht da mehr unter Druck als Deutschland, denn die französische Hilfe für die Ukraine hat in der zweiten Jahreshälfte 2022 eher abgenommen, und Frankreich liefert auch keine Kampfpanzer.
Nach der Kampfpanzer-Wende kann die Bundesregierung also zunächst einmal Ruhe bewahren. In Bezug auf die Lieferung von Kampfflugzeugen sind die Signale aus Washington und Paris lediglich: Nichts ist ausgeschlossen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Verwendete Quellen
- zdf.de: Nach Panzern nun Kampfjets?
- br.de: Scholz stellt klar: Keine Kampfjets und Truppen für die Ukraine
- tagesschau.de: USA und Frankreich schließen Kampfjets nicht aus
- zeit.de: Ukraine will mehr Hilfe, Frankreich und USA schließen Jets nicht aus
- fr.de: Erst Panzer, dann Kampfjets? Ukrainischer Waffenhunger ist noch nicht gestillt
- wienerzeitung.at: Nächster Anlauf für Kampfjets
- zdf.de: Sind Kampfjets wirklich notwendig?
- Eigene Recherche