Der eklatante Vertrauensverlust öffentlicher Institutionen trifft im Kanzleramt auf eine Mentalität, die Brecht 1953 in seinem Gedicht „Die Lösung“ durchschaute. Ein Kommentar.
Mit der Praxis der deutschen Demokratie waren im Sommer 59 Prozent im Westen und 39 Prozent im Osten zufrieden (Deutschland-Monitor), im Oktober laut ARD noch 54 Prozent und 34 Prozent (51 Prozent BRD-gesamt). Olaf Scholz vertrauen 33 Prozent, seiner Bundesregierung 34 Prozent, dem Bundestag 37 Prozent und den Parteien 17 Prozent (Forsa, Dezember 2022). Scholzens Lösung dafür könnten vertrauensstiftende Maßnahmen sein.
Ein paar Vorschläge: Die Ein-Prozent-Hürde bei Wahlen einführen, um die Auswahl zu verbreitern; alle Nebeneinkünfte von Politikern ab der Kommunalebene offenlegen; den unsensiblen Ausbau des Kanzleramts absagen; den Mindestlohn auf ein existenzsicheres Niveau anheben; das Arbeitsrecht ändern, damit Kettenbefristungen nicht die Lebensplanung behindern; Pressesubventionen aus Steuergeld (z.B. durch C. Roths Projektgelder zum „Schutz und zur strukturellen Stärkung des Journalismus“ und durch Impf-Werbeanzeigen) einstellen und die öffentlich-rechtlichen Sender unter Aufsicht ausgeloster statt parteipolitisch klüngelnder Rundfunkräte stellen, um wieder Meinungsvielfalt z.B. von national-konservativ über sozial-liberal bis kommunistisch und von transatlantisch über russland- oder chinaverstehend bis isolationistisch herzustellen, so dass alle Bürger sich in der öffentlichen Diskussion gehört fühlen; die Einsetzung eines U-Ausschusses Corona, um den Opfern gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen „Ungeimpfte“ und Andersdenkende Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; soweit meine Anregungen.
Davon wird nichts getan. Scholz geht lieber von dem Grundsatz aus, den Brecht 1953 der DDR-Regierung ironisch andichtete: dass „das Volk // Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe // Und es nur durch verdoppelte Arbeit // zurückerobern könne“ (Die Lösung). Diese Haltung ist exemplarisch am Entwurf zum „Demokratiefördergesetz“ abzulesen: Nicht die politischen Institutionen und Akteure, denen die große Mehrheit nicht mehr vertraut, sind das Problem der Republik; das Problem ist die Bevölkerung.
Denn Sie, werter Leser, und ich haben „eine Vielzahl demokratie- und menschenfeindlicher Phänomene“ zu verantworten, als da wären: „die gegen das Grundgesetz gerichtete Delegitimierung des Staates“, „die Verbreitung von Verschwörungsideologien, Desinformation und Wissenschaftsleugnung […], Hass und Hetze im Internet“, kurz: unseretwegen nehmen „multiple Diskriminierungen und Bedrohungen immer weiter zu.“
Alle gerade kursiv gesetzten Begriffe sind ideologietragend: Um sie anzuwenden muss jemand Kriterien definieren, was z.B. als Ausdruck „menschenfeindlicher“ Gesinnung zu werten ist. Das sollen künftig Beamte jedes Ministeriums „bedarfsgerecht“ in „Förderrichtlinien“ für bürgerschaftliche Projekte tun, die sie mit Parteipolitikern (u.a. den Ministern) festlegen. Der Bund soll gesetzlich verpflichtet werden, ideologisch selektiv Bürgeraktivitäten direkt und „nachhaltig“ zu finanzieren.
Die Kosten dieser Alimentierung Regierungskonformer betragen 2,2 Millionen Euro p.a., der Aufwand für Durchführungs- und Erfolgsprüfung nur circa 300.000 Euro. Die Mittelausschüttung an handverlesene Status Quo-Ja-Sager ist scheinbar viel wichtiger als die Prüfung, was diese mit dem Geld tun.
Misstraut die große Mehrheit den Institutionen, so kann die Regierung mit neuer Politik um neues Vertrauen werben oder die Bürger zu mehr Zustimmung erziehen. Dies letztere ist Scholzens Lösung; er wählt sich ein neues Volk, wie Brecht es vor 70 Jahren spottend vorschlug.