Alexander Kissler

Deutschland braucht Demokraten, aber kein «Demokratiefördergesetz»

14.12.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Die deutsche Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus (links), treibt gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser das «Demokratiefördergesetz» voran. Bildrechte: M. Popow / Imago

Die Bundesregierung will Vereine und Gruppen dauerhaft fördern, die sich gegen Extremismus engagieren. Faktisch aber prämiert sie erwünschte Weltanschauungen – und spaltet die Gesellschaft.

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Die Bundesregierung hält Wort. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP ein «Demokratiefördergesetz» angekündigt. Der Kanzler machte sich das Anliegen in seiner ersten Regierungserklärung zu eigen. Das federführende Familien- und das begleitende Innenministerium führten ein Beteiligungsverfahren durch. An diesem Mittwoch nun wird sich das Kabinett mit einem Referentenentwurf befassen. Für die Demokratie ist das keine gute Nachricht. Denn mit diesem Gesetz will sich der Staat eine Gesellschaft ganz nach seinem Bilde formen.

Eine funktionierende Demokratie braucht überzeugte Demokraten: Daran kann es ebenso wenig einen Zweifel geben wie an dem beklagenswerten Umstand, dass keine Demokratie gegen Menschenhass, Intoleranz, Extremismus und Gewalt gefeit ist. Überschreiten die destruktiven Tendenzen ein kritisches Mass, geraten die Fundamente der Republik ins Wanken.

Eine absurde Antwort der Regierung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat recht, wenn sie sagt, «Sicherheit für alle Menschen» gebe es nur in einer starken Demokratie. Eine solche braucht jedoch beides, einen durchsetzungsfähigen Rechtsstaat und eine selbstbewusste Gesellschaft mit dem Mut zur Staatskritik. Mit dem «Demokratiefördergesetz» will die «Ampel» die Grenzen von Staat und Gesellschaft planieren zugunsten eines politisch einseitig aufgeladenen Begriffs von Zivilgesellschaft.

Erklärtes Ziel ist laut der Bundesinnenministerin die «verstetigte finanzielle Unterstützung der Zivilgesellschaft». Noch deutlicher heisst es in einer Antwort der Bundesregierung von Ende Oktober, durch das Gesetz solle «mehr Planungssicherheit für die Zivilgesellschaft» erreicht werden.

Diese Formulierung ist absurd und verkennt die Grundlagen des liberalen Rechtsstaats. Eine Zivilgesellschaft, die zur Zahlungsempfängerin des Staates und damit zum Haushaltsposten der Bundesregierung herabsinkt, ist ihres Kerns beraubt. Sie gerät in ein Verhältnis der Abhängigkeit von den jeweils herrschenden Mehrheiten. So erwächst aus der Sehnsucht nach Obrigkeit neue und «verstetigte» Untertänigkeit.

Zwar beharrt die Bundesregierung darauf, dass «alle Formen des Extremismus und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit» vom Gesetz erfasst werden. Das Beteiligungsverfahren und die Äusserungen der Politiker zeigen jedoch klar, welche Verbände, Vereine und Gruppen weit überwiegend vom fiskalischen Füllhorn profitieren sollen.

Vor allem «gegen rechts»

Wer sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagiert, gegen «Antiziganismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit» oder auch gegen «Hass im Netz, Desinformation und Wissenschaftsleugnung und die gegen das Grundgesetz gerichtete Delegitimierung des Staates» darf auf eine Dauerüberweisung aus dem Staatshaushalt hoffen. Die Regierung will, wie es weiter im Entwurf heisst, «bundeseigene Massnahmen durchführen sowie Massnahmen Dritter fördern».

Der SPD-Parlamentarier Sönke Rix formuliert in bemerkenswerter Klarheit, es komme darauf an, «Extremismus zu bekämpfen, und das vor allen Dingen gegen rechts». Ein Menschenleben, so Rix im Bundestag, «ist was wert, und deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir das Demokratiefördergesetz bekommen».

Da geraten wie bei dem gesamten geplanten Gesetz die Kategorien planvoll durcheinander: Rechtsextremismus ist nicht dasselbe wie rechts, und weil jedes Menschenleben zählt, kommt es auf einen starken Rechtsstaat mehr an als auf eine gesinnungsethisch durchformatierte Gesellschaft am Gängelband des Staates. Das Menschenleben etwa der jüngst in Illerkirchberg getöteten Schülerin hätte kein «Demokratiefördergesetz» zu retten gewusst – vermutlich aber ein robuster Rechtsstaat.

Das Momentum soll zügig genutzt werden

Darum ist es auch falsch, im «Demokratiefördergesetz» auf eine Extremismusklausel zu verzichten. Ohne ein explizites Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann nicht ausgeschlossen werden, dass aggressive Spielarten der Antifa oder linke Denunziationsportale in den sozialen Netzwerken vom Geldsegen profitieren werden.

Familienministerin Lisa Paus will dennoch zügig das Momentum nutzen. «Die vereitelten Umsturzpläne im Reichsbürgermilieu», so die Grünen-Politikerin, hätten «erneut in aller Deutlichkeit gezeigt, wie sehr einzelne Gruppen unsere plurale Gesellschaft und demokratische Werte ablehnen». Dies gilt freilich auch für islamistische und linksextremistische Gruppen, die nicht im Fokus des Gesetzes stehen.

Die vielleicht grösste Gefahr des «Demokratiefördergesetzes» ist jedoch das Instrumentarium, das es künftigen politischen Zwecken zur Verfügung stellt. Der Staat vergibt Fleisskärtchen und schüttet Prämien aus für die jeweils erwünschte Weltanschauung – andere Mehrheiten mögen dereinst zu anderen Wertehierarchien gelangen.

Daraus folgt: Der Staat sollte die Gesellschaft zivil halten, indem er sich weitgehend aus ihr heraushält, zu Kritik und Eigenständigkeit ermuntert und den Rechtsstaat als Rahmen stärkt. Sonst spaltet er gerade dann, wenn er zu einen vorgibt.

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