Nötig sind Entschuldigungen, Rücktritte, Erlass der Corona-Bußgelder und Hilfe bei Impfschäden, fordert unser Kolumnist.
Dieser Text ist Teil der Serie „Corona-Debatte“. Alle Texte dazu finden Sie unter: https://www.berliner-zeitung.de/topics/corona-debatte
Im März schrieb ich, dass deutsche Politik eine Mittelmaßanfertigung ist, die im Mittelmaßmilieu des Parteienstaats entsteht und sich darin abschottet. Das führt irgendwann zum Versagen der Institutionen, die aus diesem Milieu heraus vorrangig nach machtpolitischer Loyalität besetzt werden – wie zum Beispiel im Berliner Wahldesaster.
Wo unabhängige Köpfe mit „Canceln“ bedroht werden und mittelmäßige Loyale aufsteigen, gibt es Bedarf an rhetorischen Taktiken, die im Notfall Versagen verschleiern und den Amtssessel retten können. Diese Notfallrhetorik verwendet Begriffe mit gutem Sinn für Zusammenleben und Zusammenarbeit in unpassendem Kontext, um die Verantwortung für eigenes Tun und Unterlassen außer Fokus zu rücken und zu verschleiern. Betrachten wir zwei Sprechtaktiken näher, die aktuell von Ethikrat bis Bundestag immer wieder vorkommen.
„Es gibt kein Versagen, es gibt nur Lernerfahrungen“ ist für Unternehmen, denen es um zufriedene Kunden und Profit geht, eine gute Devise. Schuldzuweisungen sind unproduktiv, schnell Dinge auszuprobieren und ebenso schnell Lehren aus Fehlschlägen zu ziehen macht erfolgreich.
In der Politik aber ist es irreführend, wenn persönliches Versagen wie zum Beispiel der Erlass gesundheitsschädlicher Verordnungen durch Formulierungen wie „Mit dem Wissen von heute …“ oder „Nachher ist man immer schlauer!“ als „Lernerfahrung“ behandelt wird.
Es gerät leicht aus dem Blick: Politiker sind zuerst ihrem Amtseid verpflichtet
Leicht gerät dann aus dem Blick, dass Politiker zuerst ihrem Amtseid verpflichtet sind, Schaden vom Land abzuwenden; sie erscheinen als Lebens-Azubis, die sich im Amt „ausprobieren“ und lernen. Schadet ein Politiker Land und Leuten, dann hat er vor seinem Amtseid versagt. Dass er dabei lernt, ist für seine politische Verantwortung irrelevant.
Bei kollektivem Versagen wird der Begriff „Herausforderung“ viel bemüht: Der Ausdruck meint eine allen gemeinsam gestellte Aufgabe mit Mobilisierungsbedarf. Das lenkt davon ab, wer bereits bei ganz bestimmten Aufgaben versagt hat. Der implizite Aufruf, man möge doch herauskommen und sich der Forderung stellen, begünstigt zudem den Fehler, schwache Spieler auf dem Feld zu lassen.
Weichspülwunsch und Wirklichkeit
Die Herausforderungs-Leier wichtiger Akteure inmitten der frischen Trümmer ihrer Politik ist der Versuch, sich als Verantwortliche unter den Betroffenen des eigenen Versagens einzureihen. Wer diesen Gesprächsfaden wie ausgelegt arglos aufgreift, hilft den Verantwortungsflüchtigen auf ihrem Schleichweg zur Gesichtswahrung.
Wer sachlich haltlos und teils fanatisch gegen Ungeimpfte gehetzt und oft ihr Leben zerstört hat, der möchte jetzt ganz gern, dass wir alle eine „Lernerfahrung“ angesichts einer „Herausforderung“ gemacht haben. Wirklich? Unsere „Lehrmeisterin Pandemie“ hat Kinder terrorisiert, Existenzen vernichtet und Gesunde zu einer Therapie genötigt, die auch tödlich enden kann? Nein, das war die Pandemiepolitik der Ganzgroßen Koalition. Das Geschwurbel der Verantwortungsflüchtigen muss jetzt enden. Es verhöhnt die unschuldigen Opfer staatlich-medial-mitbürgerlicher Panikmache und Ausgrenzung.
Nötig sind offizielle Entschuldigungen, Rücktritte, Erstattung der Corona-Bußgelder, Hilfe für Impfgeschädigte und ein Recht auf Wiederanstellung mit Rückvergütung für alle, die wegen Corona-Vorschriften den Job verloren. Moralische Klarheit und viel Geld sind nötig, um begangenes Unrecht soweit möglich zu kompensieren. Nur während sich all das entfaltet, kann auch Versöhnung gelingen.
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