Johanna Dürrholz

Rettet das Bargeld!

07.12.2022
Lesedauer: 5 Minuten
Mit ein paar Münzen in der Tasche fühlte sich unsere Autorin reicher als je zuvor. Bild: dpa

Überall kann man alles mit Karte zahlen – nur die Deutschen lieben ihr Bargeld. Und unsere Autorin? Ist eine von ihnen. Die Kolumne „Überschätzt/Unterschätzt“.

Neulich durchlebte ich ein paar wunderbare Tage. Wunderbar im Hinblick auf Geld – Kleingeld, um genau zu sein. Es war die Woche nach dem Karnevalsauftakt in Köln, an dem ich mich, um es diplomatisch auszudrücken, auch mal in der Stadt umgeschaut hatte. Und meine Geldbörse war am Tag danach – voller Münzen. Und meine Jackentaschen – ebenfalls voller Münzen.

Ich kann nicht genau sagen, womit die Münzen zusammenhängen, ob es der Kölschkonsum war, der mich zur Eier und Geldmünzen legenden Multisau gemacht hatte, oder ob ich irgendwo mal sehr viel kleines Rückgeld bekommen hatte; in F.A.Z.-Manier könnte man sagen: Die Umstände meines Erlangens diverser Geldmünzen waren ungeklärt. Ich bin mir nur ziemlich sicher, dass ich sie nicht auf unrechte Weise erlangt habe! Aber jedenfalls: Ich hatte sie, und zwar richtig viele davon.

Und was soll ich sagen? Es war herrlich, mit klimpernden Münzen durch die Gegend zu laufen! Münzen auszugeben ist ja nichts Schlimmes oder Kompliziertes. Keine große Investition, keine große Sache. Anders ausgedrückt: Man bricht keinen Schein an! Es ist komisch, aber mit ein paar Münzen in der Tasche fühlte ich mich reicher als je zuvor.

Nur ein paar Münzen!

Wenn ich etwa bei meinem Lieblingscafé vorbeilief und zufällig sah, dass von meinem Lieblingskuchen noch ein Stück dalag, dann saßen mir die Münzen immer sehr locker in der Tasche. Wenn ich im Kiosk nebenan eigentlich nur schnell eine Wochenzeitung besorgen wollte, dann lachten mich die Süßigkeiten (die für die gemischten Tüten) fröhlich an – nur ein paar Münzen, flüsterten sie mir zu. Und ich hatte ja Münzen!

In der Redaktion ging ich nun noch ein bisschen lieber als sowieso schon zum Café gegenüber, um mir einen Kaffee gegen das Nachmittagstief zu holen. Münzen hatte ich schließlich genug, ja, sogar so viele, dass ich der Lieblingskollegin auch einen spendieren konnte. Wenn mich jemand ansprach und nach Kleingeld fragte, hatte ich immer welches, und es kam sogar vor, dass ich einer Kollegin, die darauf bestand, den besagten Anti-Nachmittags-Tief-Kaffee im besagten Café mit ihrem Schein zu zahlen, ein paar Münzen ins offene Portemonnaie warf, wo sie sich klimpernd einrichteten.

Ich fühlte mich, wie ich mich zuletzt als Kind gefühlt hatte, wenn mein Opa mit seiner großen Faust auf den Tisch klopfte, ich an seinen dicken Fingern ziehen und zerren durfte, die sich schließlich immer für mich öffneten – und eine schön runde, silbern dicke Fünfmarkmünze bereithielten. Opa stellte sie auf den Tisch und drehte sie – und sobald sie umgekippt war, durfte ich sie einstecken. Nie fühlte ich mich so reich wie mit dieser satten Münze in der Faust, die ich auch damals schon am Kiosk in gemischte Tüten investieren konnte oder ab und an ins Sparschwein steckte. Und so fühlte ich mich nun wieder, mit meinen Taschen voll klimpernder Ein- und Zweieurostücken, mit denen ich wohl nicht mal ansatzweise so viele Süßigkeiten kaufen konnte wie damals mit einem Fünfmarkstück.

Ich bin auch so eine!

Das Bargeld ist ja in Verruf geraten. Überall beschweren sich Leute, dass man im rückständigen Tschörmäny noch immer nicht überall mit Karte zahlen kann, und überhaupt, was denken die Deutschen denn? Die Zeiten, in denen man die 300 gesparten Mark unter der Matratze versteckt, sind schließlich ein für alle Mal vorbei. In Skandinavien, hört man die Leute raunen, gibt es nicht einmal mehr Bargeld!

Nur die dämlichen Deutschen halten irgendwie an ihren Münzen fest. Weil sie keine Veränderung mögen und man bei ein paar Münzen und Scheinen in der Tasche eben immer ganz genau weiß, wie viel da ist. Und ich kann nach diesen After-Karneval-Münz-Tagen sagen: Ich bin auch so eine! Ich mag ja ohnehin gern Kartoffeln, und kartoffeliger, als Geldmünzen zu lieben, geht wahrscheinlich kaum noch.

Klar, auch die Gegenseite hat irgendwie recht. Selbst in Köln-Sülz gibt es noch heute, nach fast drei Jahren Pandemie, in der eigentlich alles irgendwie kontaktlos durchgeführt wurde, eben auch Bezahlvorgänge, Cafés, die keine Kartenzahlung durchführen. Wer kein Geld dabeihat, hat Pech gehabt. Nix da, Handy hinhalten, fertig.

Dass das nervig ist, ist klar. Aber wieso gleich das Bargeld ganz verdammen? Wieso muss alles gleich ganz elektronisch, kontaktlos und irgendwie unpersönlich sein? An die Geldscheine, die mir Verwandte früher in Umschläge steckten, erinnere ich mich jedenfalls anders als an spätere Überweisungen (auch wenn ich Letztere genauso gut gebrauchen konnte). Und ich frage mich auch, wie man überhaupt Kindern oder Musikern oder Wohnungslosen etwas zukommen lassen kann, so ganz ohne Geld in der Tasche. Es ist nicht nur die Haptik und das Gefühl, etwas zu haben – Bar- und Kleingeld hilft einem auch dabei, mal ein bisschen was davon abzugeben.

Also: Mit dem Handy zahlen: fancy. Mit Karte zahlen: praktisch. Ein paar Münzen in der Tasche haben: unbezahlbar.

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