Der Dollar bewährt sich wieder als Krisenwährung. Der Euro leidet unter der EZB, aber auch unter Deutschland.
Ein Austauschverhältnis von nur noch einem Dollar für einen Euro wurde zuletzt im Jahre 2002 beobachtet. Die spürbare Abwertung des Euros in der jüngeren Vergangenheit kommt zu einer Unzeit, denn sie verteuert aus europäischer Sicht zusätzlich jene Rohstoffe, die auf den internationalen Märkten in Dollar abgerechnet werden. Es wäre gut, gerade jetzt einen starken Euro zu haben, aber für seine Schwäche lassen sich mehrere Gründe aufzählen.
Zunächst einmal bewährt sich der Dollar wiederum als eine Krisenwährung, die sich in unsicheren Zeiten eines hohen Zuspruchs erfreut. Amerikanische Staatsanleihen bilden seit Jahrzehnten einen Fluchtpunkt für verschüchterte Kapitalanleger aus nahezu aller Herren Ländern. Als führende wirtschaftliche und militärische Macht profitiert Amerika nach wie vor von einem, wie die Franzosen es getauft haben, „exorbitanten Privileg“. Der Dollar zeigt sich gegenwärtig daher gegenüber vielen Währungen stark – und keineswegs nur gegenüber dem Euro.
Doch auch die Einschätzung der Gemeinschaftswährung hat zu ihrer Schwäche gegenüber dem Dollar beigetragen. Eine Europäische Zentralbank, die lange die Inflation unterschätzt hat und nun mit Zinserhöhungen zu bedächtig vorangeht, ist ebenso als Ursache zu nennen wie latente Zweifel internationaler Kapitalanleger am Zusammenhalt der Währungsunion in schwierigen Zeiten. Daher besteht in Deutschland eine Neigung, die Schwäche des Euros als ein den Deutschen unverdient auferlegtes Schicksal wahrzunehmen.
So einfach ist es aber nicht. Schwächer als heute war der Euro nur in den Jahren 2000 bis 2002, ausgerechnet als die Europäische Zentralbank noch in der Tradition der Bundesbank stand. Doch damals galt Deutschland als „der kranke Mann Europas“. Heute besteht die Sorge vor einer neuen deutschen Schwäche als Folge einer gescheiterten Energiepolitik und höchst ungewisser Aussichten für die Industrie. Auch Deutschland trägt zur aktuellen Schwäche des Euros bei.
Quelle: F.A.Z.