Die SPD liefert Waffen in die Ukraine. Die Grünen kaufen Gas in Katar. Die FDP macht Schulden. Putins Krieg rafft gerade so gut wie alle Gewissheiten der deutschen Politik hinweg. Es herrscht im Grunde Kriegswirtschaft, oder vorsichtiger: der erste Teil davon.
Es geht jetzt alles so schnell, wer weiß schon was noch alles passiert. Den Energiedeal mit den steinzeit-islamitischen Scheichs von Katar findet der grüne Bundeswirtschaftsminister nun „großartig“. Angesichts dieser Schwärmerei von Robert Habeck weiß man nicht so recht, wieviel Grossartigkeit man sich noch wünschen soll.
Alles ist gerade im Fluss, es wird immer ungemütlicher. Ob die Nato sich noch heraushalten kann, wenn Moskau mit einem großen Cyber-Anschlag Warschau angreift? Ohnehin: Es wird jetzt immer die große Einheit des Westens beschworen. Zur Wahrheit gehört aber, dass sie deutliche Risse hat.
Polen etwa will deutlich weiter gehen als Deutschland und Frankreich und kann sich durchaus vorstellen, als Nato-Land in der Ukraine aktiv zu werden. Warschau wollte auch schon Kampfjets liefern, die Amerikaner haben es gestoppt. Will sagen: Alles ist dynamisch, nichts ist in Stein gemeißelt, auch nicht, dass die Nato für alle Zeiten draußen bleibt.
Nun, da alles so schnell geht – vielleicht passieren auch Fehler dabei. Robert Habeck arbeitet gerade erfolgreich daran, Russland als Gaslieferant durch Katar zu ersetzen. Sagen wir es klar: den einen Schurkenstaat durch den anderen. Ob das klug ist?
Robert Habeck wählt das für ihn kleinere Übel
Robert Habeck, der studierte Philosoph mit Doktortitel, denkt dabei utilitaristisch – er lässt sich leiten vom Grundsatz, für die größte Zahl das größte Glück zu erreichen. Was im Umkehrschluss heißt: Sich vom kleineren Übel leiten zu lassen. Habeck ist der Meinung, dass Katar das kleinere Übel ist.
Dazu sagte er in der FAS, zwischen einem „nicht demokratischen Staat, bei dem die Situation der Menschenrechte problematisch ist, und einem autoritären Staat, der einen aggressiven, völkerrechtswidrigen Krieg vor unserer Haustür führt, gibt es noch mal einen Unterschied“.
Nun, einmal abgesehen davon, dass es schon problematisch ist, wenn ein Spitzengrüner die von der Scharia geprägten Menschenrechtslage in Katar als „problematisch“ verharmlost: es ist nicht die Menschenrechtslage allein, die Katar problematisch macht. Das Land versteht sich als der eigentliche Vertreter des Wahabismus, einer im Kern totalitären Variante des radikalen Islamismus.
Katar ist alles andere als ein leichter Partner
Katar finanziert Terrorbewegungen wie die von Iran, einem Bündnispartner des Scheichtums, finanzierte Hamas, die Israel aus der Welt bomben will. Katar ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das reichste Land der Erde, ein immer engerer Partner Chinas – und strategisch auch der Russen, die in Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führen.
Katar hat eigene außenpolitische Ambitionen und rüstet stark auf, zuletzt hat man in den USA F 35-Bomber bestellt, die auch geliefert werden. Dieselben Maschinen, die Olaf Scholz bei Joe Biden geordert hat, um Deutschland die Option auf den Gebrauch in Deutschland lagernder, amerikanischer zu sichern. Die Welt wird gerade zu einem sehr komplexen Ort.
So opportunistisch geht es auch weiter bei der deutschen Energiepolitik. Deutschlands Nato-Verbündeter Belgien, dem Sitz der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des europäischen Hauptquartiers der Nato, hat gerade beschlossen, seine sieben Atommeiler noch zehn Jahre weiterlaufen zu lassen.
Das wiederum hat eine Partei- und Kabinetts-Kollegin von Robert Habeck heftig kritisiert. Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke meinte trotzig, die Ampelregierung werde am beschlossenen Atomausstieg auf jeden Fall festhalten.
Wirtschaftsminister Habeck in der moralischen Zwickmühle
Die letzten beiden Meiler in Deutschland sollen Ende dieses Jahres dichtgemacht werden. 50 Jahre nach ihrem Start wird dann die deutsche Anti-Atombewegung gewonnen haben. Ob nun Habeck, dessen Diener vor dem katarischen Scheich für meinen Geschmack sehr tief ausfiel, als nächstes nach Belgien reist, um von dort Atomstrom zu besorgen, damit in Deutschland die Dinge wie gewohnt weiterlaufen können?
Moralische Frage an die moralischen Grünen: Ist Energie aus Katar moralisch sauberer als Energie aus Belgien, nur weil es sich nicht um unmoralischen Atomstrom handelt? Noch anders gewendet: Ist der Schurkenstaat Katar besser als der Schurkenstaat Russland, und ist Gas von dort sauberer als Kernenergie aus demokratischen Ländern?
Es ist atemberaubend, wie welcher Geschwindigkeit sich die Realitätswerdung der Grünen vollzieht. Habeck und Annalena Baerbock haben den Pazifismus praktisch für erledigt erklärt. Habeck hat in diesem Kontext das Wort schädlich verwendet. Deutschlands grüne Außenministerin redet jetzt von Abschreckung.
Mir fällt gerade gar nicht ein, wie der letzte deutsche Außenminister hieß, der von der Notwendigkeit militärischer Abschreckung sprach. Wer war noch einmal vor Hans-Dietrich Genscher Chef im Außenamt? (Walter Scheel, man kennt ihn vor allem als Volksliedsänger.)
Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für das, was Olaf Scholz mit Blick auf Deutschlands Wehrhaftigkeit eine „Zeitenwende“ nannte. Eine sehr schöne stammt aus der taz. Die neue Politik, so schreiben dort die Kollegen, folge dem Motto: „kill your darlings“.
Prosaischer könnte man vom galoppierenden Abschied der Gesinnungsethik und ihrem Ersatz durch die Verantwortungsethik sprechen. Die „Fortschrittskoalition“, die mehr Willy Brandt wagen wollte, will als „Kriegskoalition“ mehr Max Weber wagen.
Verantwortungsethik bedeutet die Welt zu nehmen wie sie ist. Die Welt wird allerdings gerade zu einem immer hässlicheren Ort.
Mit einer Politik, die sich an der Realität ausrichtet, gewinnt man also keinen Schönheitspreis.