Polen besitzt Kampfjets, für die auch ukrainische Piloten ausgebildet sind. Das Land ist zur Übergabe all seiner MiG-29 an die USA bereit, die sie dann an die Ukraine weitergeben sollen. Doch die USA lehnen diese Idee nun ab.
Die USA haben das Angebot Polens zur Lieferung von Kampfflugzeugen an den US-Stützpunkt in Ramstein zur anschließenden Weitergabe an die Ukraine für den Kampf gegen Russland zurückgewiesen. „Wir werden uns weiterhin mit Polen und unseren anderen Nato-Verbündeten über dieses Thema und die damit verbundenen schwierigen logistischen Herausforderungen beraten, aber wir glauben nicht, dass der polnische Vorschlag haltbar ist“, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby am Dienstagabend (Ortszeit).
Zuvor hatte Polen einem Vorschlag von EU-Außenamtschef Josep Borrell zugestimmt, der die Idee zum ersten Mal öffentlich in Umlauf gebracht hatte: Polen sei bereit, seine alten MiG-Flugzeuge sowjetischer Bauart abzugeben, um sie an die Ukraine zu transferieren, hieß es in einer Pressemitteilung des polnischen Außenministeriums. Allerdings war darin von der Ukraine nicht die Rede. Warschau wollte vielmehr einen juristischen Trick anwenden, damit Polen nicht ins Visier Russlands gerät.
„Die Autoritäten der polnischen Republik sind, nach Konsultationen mit dem Präsidenten und der Regierung, bereit, all ihre MiG-29 Flugzeuge zur Luftwaffenbasis in Ramstein zu überführen – sofort und ohne Kosten – und sie der Regierung der Vereinigten Staaten zur Verfügung zu stellen“, hieß es in der Presseerklärung auf der Web-Seite des polnischen Außenministeriums. Die Idee: Die USA sollten die Flugzeuge dann an die Ukraine weitergeben. Im Gegenzug baten die Polen die USA, sie mit gebrauchten Flugzeugen mit vergleichbaren Einsatzfähigkeiten auszustatten. „Das ist unsere Solidarität und unser Beitrag“, twitterte Jakub Kumoch, Staatssekretär in der polnischen Präsidentenkanzlei und dort verantwortlich für internationale Politik.
Polen besitzt noch 28 MiG-Jets, die mit Nato-Transpondern nachgerüstet wurden und allmählich ausgemustert werden sollten. Das Land hatte die Maschinen zu Beginn der 2000er-Jahre für die symbolische Summe von einem Euro von Deutschland bekommen.
Tatsächlich hatte es in den vergangenen Tagen offenbar hinter den Kulissen fieberhafte Verhandlungen über den Transfer der MiGs gegeben, da der Druck besonders in den USA enorm gestiegen war, den Ukrainern zu helfen, die russische Überlegenheit in der Luft auszugleichen. Die hatten vom Westen immer wieder vehement die Einrichtung einer Flugverbotszone in der Ukraine gefordert, um den anhaltenden russischen Beschuss ukrainischer Städte und den Tod vieler Zivilisten einzudämmen. Das hätte allerdings die Gefahr direkter militärischer Konfrontationen zwischen Nato und Russland mit sich gebracht, wozu die Nato nicht bereit war.
Die osteuropäischen MiGs, die, anders als modernere westliche Kampfflugzeuge, ohne weiteres Training von ukrainischen Piloten geflogen werden können, wären die zweitbeste Lösung, um die Ukraine für Luftangriffe weniger verletzlich zu machen. Sie würden es Kiew ermöglichen, auch seinerseits Luftangriffe auf russische Stellungen und Konvois zu fliegen, die vorher weitestgehend unterlassen wurden aus Furcht, die geringe Zahl an Jets zu verlieren, über die die Ukraine selbst noch verfügt.
Der kreative Deal käme zwei fundamentalen Sorgen der Polen entgegen. Warschau wollte zum einen mit diesem Transfer nicht direkt ins Visier Moskaus geraten. Nun könnten sie sagen, sie gäben die Jets ja nur an die USA ab. Und was die dann damit machten, sei deren Sache.
Aus der Perspektive des Völkerrechts wäre dieser Deal weder für Polen noch für die USA problematisch, weil Waffenlieferungen an ein illegal angegriffenes Land nicht bedeuten, dass die Lieferstaaten sich am Krieg beteiligen. Es bliebe allerdings unklar, wie die Flugzeuge von Ramstein in die Ukraine transferiert werden. Vor allem wäre fraglich, wer die Flugzeuge transferieren würde, mit welchen Hoheitszeichen sie für den Transfer ausgestattet würden und ob sie bewaffnet oder unbewaffnet in die Ukraine fliegen würden. Ebenfalls unklar wäre, ob Deutschland von dem Deal in irgendeiner Weise juristisch berührt wäre, schließlich ist die Luftwaffenbasis in Ramstein deutsches Hoheitsgebiet.
Vor allem aber scheinen die USA inzwischen nicht mehr von dem Deal überzeugt. Noch am Sonntag hatte US-Außenminister Antony Blinken bei einem Besuch in Moldau gesagt, die USA befassten sich „aktiv mit der Frage von Flugzeugen, die Polen der Ukraine liefern könnte“. Gleichzeitig prüfe Washington, wie es die Lücke füllen könne, „sollte Polen sich entschließen, diese Flugzeuge zu liefern.“
Am Dienstagabend nun zeigte sich US-Außenstaatssekretärin Victoria Nuland überrascht über die polnische Erklärung. „Ich denke, das war ein überraschender Schritt der Polen“, sagte die Nummer 3 des US-Außenministeriums bei einer Kongressanhörung. Zugleich sagte Nuland, es habe bereits seit Tagen Beratungen mit Polen über das Thema gegeben. Sie wollte sich auch auf mehrfache Nachfrage nicht darauf festlegen, dass die USA sich an einer Übergabe der Flugzeuge beteiligen werden. Später dann bezeichnete Pentagon-Sprecher John Kirby das Angebot Polens als „nicht haltbar.“