Warum ist die Währung so stark?

Der Franken erreicht die Parität zum Euro

08.03.2022
Lesedauer: 6 Minuten
Ukraine-Krise: Dollar und Franken legen zu anderen Währungen ganz schön zu. Christian Beutler / Keystone

Die amerikanische Währung legt gegen ihre europäischen Pendants auf breiter Front stark zu, gegen den Rubel sogar zweistellig. Nur der Franken kann mithalten: Er hat am Montag zum Euro die Parität und damit den höchsten Stand seit der Aufgabe der Kursuntergrenze im Jahr 2015 erreicht.

Russlands brutaler Überfall auf die Ukraine und dessen Folgen haben den Dollar und den Schweizerfranken zu Krisenwährungen gemacht. Beide legen gegen den Euro, gegen die Währungen der osteuropäischen Staaten, vor allem aber gegen den Rubel schon seit Tagen deutlich zu. Der Rubel hat aufgrund der massiven Finanzsanktionen der westlichen Staaten in gerade einmal zwei Wochen satte 45 Prozent seines Wertes verloren, die Währungen Ungarns und Polens jeweils etwa 12 Prozent und der Euro gute 4 Prozent.

Der Franken ist stark – zu Recht

Der Franken hat am Montagmorgen die Parität zum Euro erreicht, der Kurs der europäischen Einheitswährung ist damit auf den tiefsten Stand seit der Freigabe der damaligen Wechselkursuntergrenze von 1 Franken 20 Mitte Januar des Jahres 2015 gefallen. Angesichts der anhaltenden geopolitischen Unsicherheit, der trotz der hohen Inflationsrate extrem laxen Geldpolitik in Europa, der enormen Glaubwürdigkeit der Schweiz sowie der geringen Staatsschulden und des chronischen Leistungsbilanzüberschusses des Landes halten Fachleute die Stärke des Frankens für weitgehend gerechtfertigt.

Der Franken hat die Parität zum Euro erreicht

Marktteilnehmer vermuten zwar, dass die Schweizer Nationalbank in der vergangenen Woche wegen der beachtlichen Stärkung der Währung innerhalb kürzester Zeit interveniert hat. In ihren Augen tut sie das aber nur, um die Dynamik zu bremsen, denn grundsätzlich dürfte ihr das nahende Sieben-Jahre-Hoch zum Euro wenig Sorge bereiten. Schliesslich ist die Kursentwicklung im Verhältnis zum Dollar bisher vergleichsweise stabil geblieben. Zudem kann sie die Frankenstärke geschickt nutzen, um die Inflation im Inland zu dämpfen, während die Preisentwicklung im Euro-Raum wegen der hohen Erdöl- und Gaspreise für längere Zeit auf hohem Niveau bleiben und die Europäische Zentralbank sogar aus der Reserve locken dürfte.

Der Dollar dagegen profitiert derzeit von mehreren unterschiedlichen Faktoren. Erstens von der allgemeinen Verunsicherung an den internationalen Finanzmärkten, die von der Russland-Krise ausgeht. Diese verleitet immer mehr Anleger dazu, sich defensiver als in der Vergangenheit zu positionieren. Das bedeutet für viele grosse amerikanische, institutionelle Anleger, sich taktisch von Auslandsanlagen zu verabschieden und die Gelder im heimischen Markt zu parkieren – mit positiven Folgen für den Dollar.

Zweitens profitiert die amerikanische Währung von der allgemeinen Erwartung, dass die amerikanische Zentralbank in nächster Zeit trotz allen geopolitischen Wirren den Fuss vom geldpolitischen Gaspedal nehmen und den Leitzins angesichts einer Inflationsrate von knapp 8 Prozent schon in der kommenden Woche zum ersten Mal seit langem anheben wird. Immerhin wird die Wirtschaft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis anhin kaum von den geopolitischen Wirren im europäischen Osten beeinflusst. Tatsächlich haben die am Freitag veröffentlichten Arbeitsmarktzahlen für den Februar gezeigt, dass sie aufgrund der gewaltigen geld- und fiskalpolitischen Stimulierungsmassnahmen infolge der Pandemie immer noch überhitzt ist.

Das Fed muss die Geldpolitik straffen

Der allgemeine Preisauftrieb ist nicht nur zu stark, er könnte angesichts der steigenden Löhne und der anziehenden Miet- und vor allem Rohstoffpreise auch weiter zunehmen. Höchste Zeit also, dass die amerikanische Zentralbank etwas dagegen unternimmt – und davon sollte der Dollar profitieren, solange die Europäer nichts gegen die hohe Inflation tun.

Drittens ist der Dollar mehr als nur eine x-beliebige Währung. Er hat zwar in 50 Jahren knapp 80 Prozent seines Wertes zum Franken verloren, und angesichts der laxen Geldpolitik, der explodierenden Staatsschulden der Amerikaner und der enormen Defizite im US-Aussenhandel mögen manche an seiner Substanz zweifeln. Auf der anderen Seite aber laufen etwa neun Zehntel aller Devisenhandelsgeschäfte in aller Welt über den Dollar, zwei Drittel aller Währungsreserven lauten auf Dollar, 50 Prozent aller internationalen Kredite, Schuldverschreibungen und Handelsgeschäfte werden in Dollar abgewickelt und gut 40 Prozent des internationalen Zahlungsverkehrs.

Das internationale Dollargeschäft geht also geografisch weit über die volkswirtschaftlichen Aktivitäten der USA selbst hinaus. Es hat etwa den vierfachen Umfang des Welthandels, und es ist rund doppelt so gross wie der Anteil der Amerikaner an der Weltwirtschaftsleistung. Faktisch hängt derzeit in weiten Teilen der Welt fast alles davon ab, ob das Dollargeschäft reibungslos funktioniert und ob die Greenbacks an den von den Amerikanern dominierten, aussergewöhnlich tiefen und liquiden Finanzmärkten effizient und günstig zwischen den Marktteilnehmern ausgetauscht werden können.

Die weite Verbreitung und Akzeptanz des Dollars als dominanter Finanzierungswährung führt zu Netzwerkeffekten, die aufgrund der Standardisierung, der Gewöhnung und wegen Grössenvorteilen die Kosten für den Transfer von Kapital und von Risiken innerhalb dieses Finanzsystems senken. Dieses System ist aufgrund der organischen Entwicklung über Jahrzehnte hinweg so weit verzweigt und auf undurchsichtige Weise grenz- und branchenübergreifend so stark miteinander verwoben, dass rechtliche, operative und regulatorische Hürden sowie unattraktive Alternativen den freiwilligen Verzicht auf die Nutzung des Dollars bisher weitgehend verhindert haben.

Kaum eine Alternative zur Dollar-Hegemonie

China und Russland arbeiten zwar schon eine Weile an der Entwicklung einer Alternative zur Dollar-Hegemonie, wie sie das etablierte Finanzsystem kritisch beschreiben. Schnell geht das allerdings nicht, und richtig weit gediehen ist das Vorhaben bisher auch noch nicht. Das hat einen einfachen Grund: Viele beklagen sich zwar darüber, dass die Amerikaner die Privilegien der Weltwährung Dollar geniessen, aber niemand möchte die Lasten übernehmen, die damit verbunden sind – nämlich chronische Handelsbilanzdefizite.

Der Yuan ist noch lange keine Alternative, da er erstens auf absehbare Zeit nicht voll konvertibel sein wird. Zweitens können die chinesischen Kapitalmärkte, was Grösse, Tiefe und regulatorische Verlässlichkeit anbelangt, noch lange nicht mit ihren amerikanischen Pendants mithalten. Drittens ist das Land aufgrund des unterentwickelten Binnenkonsums bis heute immer noch auf seine Exportwirtschaft angewiesen, um überhaupt wachsen zu können; der Yuan wird daher dem Dollar den Rang nicht ablaufen können.

Bei aller Kritik: Das Ende der Dollar-Hegemonie ist nach Ansicht von Fachleuten vorerst nicht in Sicht. Im Laufe der Zeit mögen im Zahlungsverkehr, bei der Abwicklung von Geschäften und bei der Anlage von Devisenreserven andere Währungen langsam eine grössere Rolle spielen. Allerdings wird das voraussichtlich nicht über Nacht passieren. Schliesslich gibt es noch einen weiteren massgeblichen Faktor, der vorerst für den Dollar spricht: «Nicht der Internationalismus macht den Freihandel unter Verwendung der amerikanischen Währung möglich, sondern es ist die amerikanische Navy», so argumentiert der konservative amerikanische Historiker Victor David Hanson. Das ist auch der wesentliche Unterschied zu den bis anhin angesichts der jeweiligen Handelsvolumina unbedeutenden, wenn auch medial gehypten Kryptowährungen – hinter diesen steht einfach nichts.

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