Es sei anzunehmen, dass „sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine begangen wurden“, so der Chefankläger. Das Ermittlungsverfahren starte „sofort“.
Der Internationale Strafgerichtshof hat offizielle Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der von Russland angegriffenen Ukraine eingeleitet. Das teilte Chefankläger Karim Khan am Mittwochabend in Den Haag mit. 39 Vertragsstaaten des Gerichts hätten eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen, die die Ermittlungen ermöglichten.
Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine in der vergangenen Woche hatte der Ankläger erklärt, er beobachte die Lage eingehend. Am Montag kündigte er dann seine Absicht an, Ermittlungen einzuleiten. Diese beziehen sich nun den Angaben zufolge zunächst auf mögliche Verbrechen, die vor der Invasion Russlands begangen wurden. Angesichts der Ausbreitung des Konflikts sollten die Ermittlungen seiner Ansicht nach aber erweitert werden.
Das Gericht hatte bereits Vorfälle bei der Niederschlagung pro-europäischer Proteste in Kiew 2013/2014 untersucht, ebenso bei der russischen Besetzung der Krim 2014 und in der Ostukraine.
Grundlage für Ermittlungen „ausreichend“
Es gebe „eine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine begangen wurden“, hatte der Chefankläger am Montag mitgeteilt. Die Untersuchung solle sich auf mögliche Verbrechen aller Parteien in dem Konflikt richten.
Angesichts der Ermittlungen wiederholte Khan am Donnerstag seinen Aufruf an alle Beteiligten an Kampfhandlungen in der Ukraine, „sich streng an die geltenden Regeln des internationalen humanitären Völkerrechts zu halten“.
Die Ukraine ist zwar kein Vertragsstaat des Weltstrafgerichts. Allerdings hat das Land in Erklärungen nach Angaben der Anklage die Zuständigkeit des Gerichts bei der möglichen Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf seinem Territorium seit November 2013 akzeptiert. Russland erkennt das Gericht nicht an.
Johnson sieht Tatbestand erfüllt
Der britische Premier Boris Johnson hatte zuvor am Dienstagabend in einer Rede im Unterhaus den russischen Präsidenten Wladimir Putin bezichtigt, bei den russischen Angriffen auf die Ukraine Kriegsverbrechen begangen zu haben. „Was wir schon jetzt von Wladimir Putins Regime gesehen haben, bezüglich der Nutzung von Kampfmitteln, die sie bereits auf unschuldige Zivilisten abgeworfen haben, das erfüllt aus meiner Sicht bereits vollkommen die Bedingungen eines Kriegsverbrechens“, sagte Johnson.