TV-Moderator Tucker Carlson macht Stimmung für Putin und entzweit die Republikaner im Ukraine-Konflikt

29.01.2022
Lesedauer: 5 Minuten
Tucker Carlson spricht am «AmericaFest», einer rechtskonservativen Veranstaltung, im vergangenen Dezember. Foto: Brian Cahn / Imago

Der Fernsehmoderator Tucker Carlson macht beste Kreml-Propaganda auf Fox News. Dies zeigt Wirkung: Die Desinformation bringt Teile der republikanischen Basis gegen das proukrainische Establishment auf.

Fox News ist ein privater Fernsehkanal. Aber seine Primetime-Sendung «Tucker Carlson Tonight» steht in ihrer Dreistigkeit der russischen Staatspropaganda in nichts nach. Carlson, der Moderator oder besser gesagt Kommentator des Abendprogramms, hat die Wahrheit kürzlich in einer Dokumentarfilmserie über den Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2020 derart verdreht, dass zwei konservative Analysten ihre Zusammenarbeit mit dem Fernsehsender kündigten. Die verantwortungsbewussten Stimmen auf dem Kanal würden zunehmend durch die verantwortungslosen übertönt, lautete ihre Begründung.

Für Carlson hatte diese Kritik bisher jedoch keine Konsequenzen. Mit seiner Show erreicht er von Montag bis Freitag im Schnitt 3,3 Millionen Zuschauer. Auf Fox News und auch im Vergleich mit allen anderen amerikanischen Fernsehsendern ist er damit der Spitzenreiter. Auf Twitter hat der Verschwörungstheoretiker 4,8 Millionen Follower.

Krieg gegen Migranten statt Krieg gegen Russland

Seit Tagen trichtert Carlson seinem vorwiegend konservativen Publikum nun ein, dass die amerikanische Unterstützung für die Ukraine im Prinzip ein Betrug am amerikanischen Volk sei. «Keine vernünftige Person kann einen Krieg mit Russland wegen der Ukraine rechtfertigen», sagte Carlson am Montag. Eine Konfrontation mit Moskau könne weder das amerikanische Problem der Inflation noch das der massenhaften Immigration aus Südamerika lösen. «Niemand denkt, ein solcher Krieg würde Amerika sicherer, stärker und prosperierender machen.»

In abstruser Weise verknüpft Carlson die Gefahr einer weiteren russischen Invasion in der Ukraine mit der angeblichen Invasion von Migranten an der mexikanischen Grenze der USA. Während im Hintergrund ein Bild des Capitols mit der Unterschrift «Kriegsmaschine» zu sehen ist, beklagt sich Carlson darüber, von seinen Kritikern zu Unrecht als ein Handlanger Moskaus verunglimpft zu werden. Diese sagten zu ihm: «Die Grenzen der Ukraine sind heilig, unsere Grenzen sind rassistisch. Sei still, Putin-Strohmann!»

Carlsons Botschaft ist klar: Während Biden der Ukraine für Hunderte von Millionen Dollar Waffen schickt und womöglich bald Tausende von Soldaten nach Europa entsendet, müsste er eigentlich Truppen an die amerikanische Südgrenze schicken, um die Souveränität der USA zu verteidigen. Dabei wirft er Bidens Regierung vor, mithilfe der Migration «die Bevölkerung des Landes aus politischen Gründen komplett verändern zu wollen».

Die vielen Widersprüche in seinen Argumenten macht Carlson mit wütenden Monologen und emotionsgeladenen Bildern wett, die unter anderem Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris als aggressive Kriegstreiber karikieren. Die Südgrenze der USA sei offen, behauptet Carlson etwa. Tatsächlich werden an der mexikanischen Grenze derzeit so viele illegale Einwanderer aufgegriffen wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Rund 1,7 Millionen waren es 2021. Doch Carlson verschweigt, dass auch unter Biden viele von ihnen umgehend nach Mexiko zurückgeschickt oder in ihre Heimat deportiert werden. Die Grenze ist keineswegs offen. Carlson ignoriert zudem, dass insbesondere der Zustrom von Flüchtlingen aus Venezuela stark zugenommen hat, weil das sozialistische Regime von Nicolas Maduro ihre Lebensgrundlage zerstört hat. Ein Regime, das insbesondere von Putins Russland unterstützt wird.

Republikanische Kandidaten übernehmen die Carlson-Linie

Noch verheerender als Carlsons Breitseiten gegen Biden sind indes seine Angriffe auf das republikanische Establishment. Dieses wirft dem demokratischen Präsidenten seit Wochen vor, gegenüber Putin zu zahm aufzutreten und die Ukraine zu zögerlich zu unterstützen. Nachdem Biden die Tonlage verschärft, die Waffenlieferungen etwas beschleunigt und die Entsendung von Truppen nach Osteuropa in Aussicht gestellt hatte, erntete er lobende Worte von Mitch McConnell, dem republikanischen Fraktionsführer im Senat. Die Regierung scheine sich in die richtige Richtung zu bewegen, kommentierte McConnell am Dienstag. Dafür griff ihn Carlson am selben Abend frontal an: «Für wen arbeitest du genau? Auf welcher Seite stehst du? Ich glaube, wir wissen es.»

Doch so widersprüchlich Carlsons Propaganda ist, sie bleibt keineswegs folgenlos. Bisher war eine harte Haltung gegenüber Russland eines der wenigen Themen, in denen sich Republikaner und Demokraten gleichermassen einig waren. Gemäss einer Umfrage des «Economist» vom Dezember gilt dies zurzeit auch noch weitgehend für die Basis der beiden Parteien. Demgemäss unterstützen 64 Prozent der demokratischen Wähler eine harte Haltung gegenüber Russland, um die Ukraine zu beschützen. Unter den republikanischen Wählern sind es 54 Prozent. Allerdings haben Parteibüros der Republikaner und auch das eines demokratischen Abgeordneten jüngst Anrufe besorgter Wähler erhalten, die sich auf Carlsons Ukraine-Kritik bezogen, wie das Nachrichtenportal «Axios» berichtet.

Während das Establishment in Washington sich noch an traditionellen Positionen orientiert, vertreten mehrere republikanische Kandidaten mit guten Chancen in den Vorwahlen für den Kongress im November die Carlson-Linie. Adam Laxalt, der in Nevada für den Senat kandidiert, twitterte einen Clip aus Carlsons Sendung, in dem dieser Bidens Ukraine-Politik kritisiert, und schrieb dazu: «Wir brauchen ein aggressives Vorgehen an unserer Grenze, jetzt!»

Zurzeit dürfte der Kongress scharfe Sanktionen gegen Russland problemlos verabschieden, sollte Putin in die Ukraine einmarschieren. Doch dies könnte sich ändern, sollte der rechte Flügel der Republikaner gestärkt aus den Zwischenwahlen hervorgehen. Noch ungemütlicher könnte es für die Ukraine werden, sollte Trump 2024 tatsächlich ein Comeback gelingen. Er hat der Verharmlosung des Putin-Regimes in Teilen der republikanischen Partei den Weg bereitet und kümmert sich wenig um die Verteidigung von Menschenrechten und internationalen Rechtsprinzipien.

Der Ukraine-Konflikt – so scheint es – stürzt Trump und weite Teile seiner opportunistischen Gefolgschaft in der Republikanischen Partei in ein Dilemma. Denn Carlson gibt rechten Kräften in der Partei Auftrieb, die selbst Trump nicht ganz geheuer scheinen. So äusserte Trump kürzlich bei seinem Auftritt in Arizona die Kritik, Biden habe etwa mit dem Afghanistan-Abzug zu viel Schwäche gezeigt und werde deshalb von China und Russland nicht respektiert. Als er noch an der Macht gewesen sei, hätte es Putin niemals gewagt, mit einem Einmarsch in die Ukraine zu drohen. Wie genau Washington sich gegenüber Moskau nun verhalten sollte, darüber schwieg sich Trump aus.

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