Nicht einmal zwei Monate liegt Angela Merkels letzter Tag als Kanzlerin zurück. Ihre Partei will bereits jetzt nichts mehr von ihr wissen. Und sie von der CDU auch nicht.
Gegen die deutsche Linke kann man manches vorbringen, aber nicht den Vorwurf mangelnder Transparenz. Nirgendwo sonst fliegen derart öffentlich die Fetzen. Die schmutzige Wäsche wird anschließend nicht versteckt, sie liegt für jedermann sichtbar wie Trümmerteile in der Landschaft.
Als Freunde der öffentlich ausgelebten Rivalität sind hier insbesondere Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine zu loben: die gegenseitige Verachtung wurde zum Schluss nicht mehr camoufliert, sondern inszeniert. Der eine hat dem anderen alle Parteiämter, das Parteibuch und das hohe Ministeramt vor die Füße geworfen. Trotzig setzte er sich im März 1999 den damals zweijährigen Sohn Carl-Maurice auf die Schulter und demonstrierte auf dem Balkon seines Eigenheims den dazugehörigen Eigensinn: Bumms. Basta. Aus.
Das Zerwürfnis zwischen Merz und Merkel ist final
Womit wir bei Friedrich Merz und Angela Merkel wären. Deutschlands Konservative lassen genau diese Klarheit im Konflikt vermissen. Das Zerwürfnis zwischen der ehemaligen Bundeskanzlerin und dem heutigen CDU-Vorsitzenden ist vergleichbar tief und final. Die beiden haben sich weniger als nichts zu sagen.
Sie nahm ihm seinen Traumjob als Fraktionschef weg, als es zur Kanzlerschaft noch nicht reichte. Er führte seither eine Art Guerillakrieg am Rande der Partei gegen sie.
Sie versuchte dreimal, ihn als Vorsitzenden zu verhindern; sie erfand die Bundespolitikerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die als Schwarze Null in die Geschichte der CDU einging. Sie unterstützte Armin Laschet vor und hinter der Kulisse und als auch der sich nicht an der Spitze halten konnte, feuerte sie ihren getreuen Kanzleramtsminister Helge Braun als letzte Patrone gegen Merz.
Das wird sie ihm nie verzeihen
Der hat trotz der bleihaltigen Merkel-Offensiven im dritten Sturmlauf am Samstag ihr altes Chefzimmer im Konrad-Adenauer-Haus für sich erobert. Das wird sie ihm nie verzeihen.
1. Das bereits verabredete Abendessen mit ihm ließ sie „aus Termingründen“ absagen. Auch den Ehrenvorsitz der CDU und damit den Heiligenschein für die Ära Friedrich Merz will sie ihm verweigern.
Der neue CDU-Chef selbst ist ebenfalls ein Unversöhnlicher. Dass er ihre Regierung „grottenschlecht“ fand, hatte er schon in den letzten Tagen ihrer Kanzlerschaft zu Protokoll gegeben. Nun soll das Merkel-Erbe, zum Beispiel also die Koordinatenverschiebung der Union, revidiert werden:
2. Die engste Merkel-Vertraute, die Chefin der Frauen-Union Annette Widmann-Mauz, ließ der Merz-Flügel bei den Vorstandswahlen demonstrativ durchfallen. Ihre Quote ist nicht seine Quote.
3. Fraktionschef Ralph Brinkhaus, nicht von Hause aus, aber zuletzt ein Loyalist der Kanzlerin, dürfte schon in absehbarer Zeit seinen Job verlieren. Merz spielt alles oder nichts.
4. Auch Merkels Gesundheitsminister Jens Spahn, ein erprobter Merz-Konkurrent, muss sich auf einiges gefasst machen. Er bekam bei seiner Wahl ins Präsidium mit 60,21 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis von allen Präsidiumsmitgliedern.
Fazit: Die Wahl von Friedrich Merz markiert keinen Neubeginn für die CDU, sondern vielmehr den Schlussakkord der Ära Merkel. Sie hat ihm – darin liegt die Raffinesse ihrer Rache – eine Nichtregierungsorganisation namens CDU hinterlassen. Seither schweigt sie ihn an. Theodore Roosevelt kannte den Trick:
„Wer stark ist, kann es sich leisten, leise zu sprechen.“