Die Bundesbank senkt ihre Prognose des Wirtschaftswachstums deutlich. Dagegen rechnet sie mit einer weitaus höheren Inflation als bisher. Der Ifo-Index, der die Stimmung in den Firmen misst, verschlechterte sich zum sechsten Mal in Folge.
Sowohl die neue Konjunktuprognose der Bundesbank als auch der aktuelle Ifo-Index deuten darauf hin, dass die sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in den kommenden Monaten weiter verschlechtern wird. Die Gründe, die Bundesbank und Ifo-Institut anführen, sind identisch: Zum einen sind es die Lieferengpässe, die die Wirtschaft bremsen, zum anderen bleibt die Corona-Pandemie der wesentliche Faktor für wiederholte konjunkturelle Rückschläge.
„Der Aufschwung verschiebt sich zeitlich etwas nach hinten“, erläutert der scheidende Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Einschätzung der Bundesbank-Experten. Im laufenden Jahr erwarten die Ökonomen ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,5 Prozent. Im Juni waren sie noch von einem Plus von 3,7 Prozent ausgegangen.
Privatkonsum als Wirtschaftsfaktor
Auch für das kommende Jahr lässt sich die alte Prognose nicht halten: Für 2022 wird ein Anstieg der Wirtschaftsleistung von 4,2 Prozent erwartet. Im Juni hatte man noch mit 5,2 Prozent gerechnet. Für 2023 wächst hingegen der Optimismus, das Wachstum solle bei 3,2 Prozent liegen. Zuvor waren die Fachleute noch von 1,7 Prozent ausgegangen. Die Notenbank ist für 2022 optimistischer als viele Wirtschaftsforschungsinstitute, die mit einem Wachstum von weniger als vier Prozent rechnen.
Die Bundesbank-Ökonomen gehen davon aus, dass der Privatkonsum ab dem Frühjahr 2022 deutlich an Fahrt gewinnt. „Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden eine Zeit lang mehr von ihrem verfügbaren Einkommen ausgeben als noch vor der Pandemie“, erläuterte Weidmann. Zudem sollten sich die Lieferengpässe bis Ende 2022 auflösen, das dürfte dem Export vorübergehend einen starken Schub geben.
Inflation wird kurzfristig langfristiger als gedacht
Auch die Prognose zur Entwicklung der Verbraucherpreise wird korrigiert: Für dieses Jahr rechnet die Bundesbank mit einer Inflationsrate von 3,2 Prozent – gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex, den die Europäische Zentralbank (EZB) für ihre Geldpolitik im Euroraum zugrunde legt. Das sind 0,6 Prozentpunkte mehr als noch im Juni geschätzt. Im kommenden Jahr dürfte die Rate nach Ansicht der Bundesbank im Durchschnitt nicht wie zuvor gedacht bei 1,8 Prozent, sondern bei 3,6 Prozent liegen.
Dabei entfallen dann Sondereffekte wie die Rücknahme der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung. Bislang hatten viele Fachleute darauf verwiesen, dass es sich bei der steigenden Inflation um ein durch Sonderphänomene getriebenes, kurzfristiges Ereignis handele.
„Für die Inflationsrate überwiegen wie im Euro-Raum insgesamt die Aufwärtsrisiken“, warnte Weidmann. „Die Geldpolitik sollte diese Risiken nicht ignorieren und wachsam bleiben.“
Die Bundesbank verwies auf den starken Anstieg der Rohstoffpreise für Energie auf den internationalen Märkten. Außerdem würden Unternehmen höhere Kosten aufgrund der Lieferengpässe an die Verbraucher weitergeben und bei starker Nachfrage die Gewinnmargen ausweiten. Im Jahr 2023 sinkt die Inflationsrate nach Einschätzung der Bundesbank wieder. Mit 2,2 Prozent bleibe sie aber auch in den Jahren 2023 und 2024 vergleichsweise hoch.
Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer fällt
Die negative Tendenz, die die Bundesbank-Ökonomen erwarten, spiegelt sich auch in den aktuellen Daten des Ifo-Instituts zum Geschäftsklima wider. Es fiel im Dezember gegenüber dem Vormonat überraschend stark um 1,9 Punkte auf 94,7 Zähler. Nach dem sechsten Rückgang in Folge notiert der Indikator jetzt auf dem tiefsten Stand seit Februar.
„Die verschärfte Pandemielage trifft konsumnahe Dienstleister und Einzelhandel hart“, ordnet Ifo-Präsident Clemens Fuest die Daten ein. Entsprechend trübte sich das Geschäftsklima im Dienstleistungssektor und im Handel deutlich. Vor allem im Tourismus und im Gastgewerbe verschlechterten sich laut Fuest die Umfragewerte.
In der Industrie verbesserte sich die Stimmung zwar etwas, laut Ifo-Institut haben sich die Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen aber weiter verschärft. Deren Ursache sind teils erhebliche Verspannungen im internationalen Warenhandel, die überwiegend auf die Corona-Pandemie zurückgehen.
Andreas Scheuerle, Ökonom bei der DekaBank, kommentiert, dass sich aus Sicht der Unternehmen die Probleme allmählich zu einer Woge auftürmen würden, die das Wachstum wegzuspülen drohe: „Lieferengpässe, Energiepreise, die Delta- und nun auch noch Omikron-Variante des Coronavirus – alle Zeichen deuten derzeit auf eine Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts hin. Besonders traurig ist, dass die Unternehmen auf Sechs-Monatssicht keine Besserung erwarten. Die Geschäftserwartungen sind so schlecht, wie in der Euro-Schuldenkrise“, unterstreicht Scheuerle.
Über dieses Thema berichtete BR24 am 17. Dezember 2021 um 11:17 Uhr.