Autoindustrie

Wandel zur Elektromobilität: Zehntausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

06.05.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Montage eines Verbrennungsmotors Jobs wie diese wird es in der Autoindustrie auf absehbare Zeit nicht mehr geben. (Foto: dpa)

Berlin Durch die Umstellung vom Verbrennungsmotor auf den Elektroantrieb könnten in der Autoindustrie und in verbundenen Branchen bis 2025 mindestens 178.000 Jobs auf dem Spiel stehen. Im gleichen Zeitraum werden in der Produktion von Fahrzeugen und Teilen aber nur rund 75.000 Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Die altersbedingte Fluktuation allein wird also nicht helfen, die anstehende Transformation auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Ifo-Instituts im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA). „Vor allem für die mittelständisch geprägte Zuliefererbranche ist der Übergang zur Elektromobilität eine große Herausforderung“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Wichtig sei, in der verbleibenden Verbrennerproduktion und bei Elektrofahrzeugen hochqualifizierte Jobs zu erhalten, ohne den Strukturwandel aufzuhalten.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller betonte, die Transformation müsse aktiv gestaltet werden. Beschäftigte, deren Arbeitsplatz bedroht sei, bräuchten neue Perspektiven. Davon hänge „die Stabilität ganzer Regionen“ ab. Im Saarland beispielsweise steht die Fahrzeug- und Zuliefererindustrie für rund 15 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.

Altersbedingte Fluktuation kann Umbruch nur bedingt abfedern

Die Ifo-Experten legen bei ihren Berechnungen die von der EU-Regulierung vorgegebenen Flottengrenzwerte für den Kohlendioxidausstoß zugrunde. Sollen sie erreicht werden, muss der Anteil elektrischer Fahrzeuge an den Neuzulassungen in der EU von rund 3,5 Prozent im Jahr 2019 auf 29 bis 36 Prozent ab dem Jahr 2025 steigen.

Die Spanne hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Frage, inwieweit sich auch die Emissionen konventioneller Antriebe weiter reduzieren lassen oder wie erfolgreich verbrauchsreduzierende Hybridfahrzeuge auf dem Markt sind. Im Jahr 2035 müssten schon zwischen 35 und 47 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge einen Elektroantrieb haben.

Entsprechend würden bei der Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor Arbeitsplätze wegfallen. Von den mindestens 178.000 Beschäftigten, die bis 2025 betroffen sein werden, entfallen 137.000 auf die Autoindustrie selbst. Der Rest steht bei der Herstellung von Produkten auf dem Spiel, die indirekt mit Verbrennungsmotoren zu tun haben, beispielsweise Dieselkraftstoff oder Schaltgetriebe. Allerdings haben die Forscher keine neuen Arbeitsplätze gegengerechnet, die beispielsweise rund um Software-Anwendungen in der Autoindustrie neu entstehen.

Bis 2030 wären dann nach den Ifo-Berechnungen schon mindestens 215.000 Beschäftigte betroffen, davon 165.000 in der Autoindustrie selbst. Die altersbedingte Fluktuation kann nur einen Teil dazu beitragen, diesen Umbruch abzufedern.

Bis 2025 werden rund 38.800 Beschäftigte im Fahrzeugbau in den Ruhestand gehen, gut 36.000 weitere in der Herstellung von Teilen. Bis 2030 gehen in der Autoindustrie voraussichtlich 147.000 Beschäftigte in den Ruhestand, davon 73.000 im Fahrzeugbau.

Die verbleibende Lücke zwischen wegfallenden Jobs und der Zahl der Renteneintritte lasse sich schon jetzt absehen, sagt Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Die Unternehmen hätten also „die Möglichkeit, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel Umschulungen und Weiterbildung“.

VDA-Präsidentin Müller kritisiert deutschen Alleingang bei Verschärfung des Klimaziels

Nach Ifo-Berechnungen sank der Produktionswert der direkt von der Transformation zur Elektromobilität betroffenen Produktgruppen bereits zwischen 2015 und 2019 um mehr als 22 Milliarden Euro oder rund 13 Prozent. Die Zahl der mit der Produktion befassten Beschäftigten sank aber nur um rund zwei Prozent. Parallele Produktionsstrukturen – also Produktion und Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren bei gleichzeitiger Hinwendung zum Elektroantrieb – erforderten noch viel Personal, sagt Falck.

Scharfe Kritik übte VDA-Präsidentin Müller an der von der Bundesregierung angekündigten einseitigen Verschärfung der Klimaziele, ohne eine Gesetzesfolgenabschätzung vorzunehmen. „Gute Gesetzgebung sieht anders aus“, sagte sie. Die Bundesregierung hatte sich nach dem Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf eine Anpassung des Klimaschutzgesetzes verständigt.

Dem Entwurf zufolge soll der Verkehrssektor im Jahr 2030 nicht mehr 95 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen dürfen, sondern nur noch 85 Millionen Tonnen. „Wichtig ist bei jeder Zielverschärfung eine industriepolitische Einbettung“, betonte Müller. Bisher sei aber überhaupt nicht klar, wie die verschärften Klimaziele erreicht werden sollten.

Auch Ifo-Präsident Fuest kritisierte den deutschen Alleingang ohne europäische Koordinierung: „Ich kann mir das, ehrlich gesagt, nur mit dem Wahlkampf erklären“, sagte er.

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