Diesel und Benzin haben sich seit Russlands Überfall auf die Ukraine erheblich verteuert. Laut einer neuen Greenpeace-Studie hat die Mineralölwirtschaft ihre Margen massiv ausgeweitet.
Europas Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber erwirtschaften laut einer Greenpeace-Studie Zusatzprofite in Milliardenhöhe durch den drastischen Anstieg der Benzin- und Dieselpreise. Demnach hat die Branche ihre Margen im Windschatten des russischen Krieges erheblich erhöht. Besonders hoch sind diese Einnahmen in Deutschland.
Der Untersuchung zufolge hat die Mineralölbranche seit Russlands Invasion in der Ukraine zusätzliche Roherträge – also höhere Erlöse für Kraftstoff abzüglich der gestiegenen Kosten für Rohöl – von insgesamt etwa 3,3 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Dies entspreche einem sogenannten Krisenprofit von durchschnittlich 107 Millionen Euro pro Tag, heißt es in der bislang unveröffentlichten Studie. Sie wurde von dem Hamburger Energieexperten Steffen Bukold für Greenpeace erstellt und lag dem SPIEGEL vorab vor.
Am höchsten sind diese »Krisenprofite« laut der Studie in der Bundesrepublik: mit durchschnittlich 38,2 Millionen Euro pro Tag. Dahinter folgen Frankreich (13,3 Millionen Euro), Italien (12,5 Millionen Euro), Spanien (7,6 Millionen Euro) und Österreich (4,3 Millionen Euro).
Dabei füllen vor allem die sprunghaft stark gestiegenen Einnahmen aus dem Verkauf von Diesel die Kassen der europäischen Mineralölwirtschaft. In Deutschland ist dieser Kraftstoff neuerdings teurer als Super E10. Auf Diesel entfällt Greenpeace zufolge ein durchschnittlicher »Krisenprofit« von 94 Millionen Euro pro Tag, bei Ottokraftstoff sind es 13 Millionen.
Zugrunde liegt all diesen Zahlen ein Vergleich von Rohöl-, Raffinerie- und Tankstellenpreisen:
- Laut Studie verteuerte sich Rohöl der Nordsee-Referenzsorte Brent bis zum 22. März im Schnitt um 19,4 Cent je Liter.
- Der Raffineriepreis für Diesel hingegen stieg um mehr als 30 Cent – und an der Tankstelle wurden für den Liter im Mittel sogar 36,5 Cent mehr verlangt, vor Steuern wohlgemerkt.
- Benzin verteuerte sich ab Raffinerie um 20,5 Cent und an der Zapfsäule um durchschnittlich 26,7 Cent pro Liter.
- Die zusätzlichen Margen wurden mit den verkauften Mengen des jeweiligen Sprits multipliziert.
Die zusätzlichen Roherträge von 3,3 Milliarden Euro werden sich laut Studie auch in ähnlich hohen Gewinnsteigerungen für die Unternehmen niederschlagen.
Zwar müssten die Raffinerien höhere Kosten für von ihnen verbrauchtes Erdgas tragen, heißt es in der Studie. Im Gegenzug aber seien die Ausgaben für russisches Rohöl erheblich niedriger als die für das den Berechnungen zugrunde gelegte Nordseeöl Brent. Russisches Öl wird zurzeit mit deutlichen Preisabschlägen gegenüber Brent gehandelt.
Auch die von der Bundesregierung geplante vorübergehende Steuersenkung in Höhe von 14 Cent je Liter Diesel und 30 Cent je Liter Benzin würde die Profite der Mineralölwirtschaft nicht schmälern. Im Gegenteil: Es könnte sogar passieren, dass die Preise an der Zapfsäule nicht entsprechend stark fallen – und sich im Gegenzug die Margen erhöhen.
»Die Ölindustrie bereichert sich seit Jahrzehnten auf Kosten des Klimas und unser aller Zukunft. Nun zeigt sich, dass uns die Ölkonzerne mitten in einem furchtbaren Krieg auch noch schamlos über den Tisch ziehen«, sagte Martin Kaiser, der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, dem SPIEGEL.
Greenpeace fordert, dass Europas Regierungen kurzfristig durch eine neue Steuer die Krisenprofite der Konzerne abschöpfen und das Geld verwenden sollen, um sozial schwache Haushalte für ihre steigenden Energiekosten zu kompensieren.
Zugleich müsse die EU-Kommission die Dekarbonisierung des EU-Verkehrssektors beschleunigen. Ziel müsse sein, dass schon von 2028 ab keine Autos mit Verbrennungsmotors mehr neu verkauft werden dürften. Bislang ist dieses Zulassungsverbot für 2035 geplant.