Schlachthof

Robert Tönnies stellt sich gegen die gesamte deutsche Schlachtindustrie

14.06.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Robert Tönnies, der Neffe von Schlachtmogul Clemens Tönnies und Mitgesellschafter des Fleischkonzerns Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, arbeitet er seit Monaten an einer Alternative zur CO2-Betäubung von Schweinen. Bild: dpa

Bei der Betäubung von Schweinen in Schlachthöfen kommt es immer wieder zu massiven Verstößen. Auch der städtische Schlachthof Tönnies steht in der Kritik. Robert Tönnies will etwas Entscheidendes ändern und zieht damit den Unmut der Branche auf sich.

Es sind furchtbare Aufnahmen, die die Tierschutzorganisation „Soko Tierschutz“, kürzlich öffentlich machte. Sie hatte heimlich an einer Gondel, mit der Schweine in eine CO2-Grube hinuntergefahren werden, eine Kamera installiert und die Aufnahmen dem TV-Magazin „Report Mainz“ zur Verfügung gestellt. Die Aufnahmen aus dem städtischen Schlachthof in Kulmbach zeigen den quälenden Todeskampf der Tiere, der teilweise bis zu einer Minute dauert. Ob es dann allerdings auch wirklich betäubt ist, ist oft nicht sicher. Dabei soll ein Schwein eigentlich nicht bei Bewusstsein getötet werden. Das schreibt die Tierschutz-Schlachtverordnung vor. Demnach soll ein „schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt“ werden muss.

Es trifft die Falschen

Konfrontiert mit den Aufnahmen gibt Schlachthofleiter Dirk Grühn zu Protokoll, dass die Betäubung mit Kohlendioxid eine „suboptimale Betäubung“ sei. „Die Abwehrreaktion der Tiere in der Gondel, die ist lang, die geht 20 bis 30 Sekunden definitiv, und teilweise länger“, sagt er: „Das ist eigentlich zu lang.“ Mit Grühn und dem Schlachthof in Kulmbach habe die Kritik die Falschen getroffen, heißt es aus dem Umfeld von Robert Tönnies. In Kulmbach wolle man wirklich etwas bewegen und verändern.

Der Neffe von Schlachtmogul Clemens Tönnies und Mitgesellschafter des Fleischkonzerns Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, muss es wissen. Er kennt den Schlachthof in Kulmbach bestens. Zusammen mit Professor Klaus Tröger vom Kulmbacher Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch vom Max-Rubner-Institut (MRI) arbeitet er seit Monaten an einer Alternative zur CO2-Betäubung: Helium. Studien von Tröger hätten ergeben, dass bei Schweinen mit dem Betäubungsgas Helium in diesem Bereich „herausragend positive“ Ergebnisse erzielt werden können, da im Gegensatz zum heute in der Industrie üblichen Betäubungsgas CO2 „aversive Reaktionen vollständig vermieden werden“ können, heißt es im Vertragstext, den die Bernd-Tönnies-Stiftung schon vor Monaten mit der Stadt Kulmbach unterzeichnete. Und weiter: „Ungeachtet dieser Tatsache wird dieses Verfahren bisher in der Praxis nicht angewandt, da es bisher an einer im Schlachtbetrieb einsetzbaren, praxistauglichen Betäubungsanlage fehlt und die Schlachtwirtschaft und deren Ausrüster am alten Verfahren festhalten.

Stiftung spendiert Millionen

Die Bernd-Tönnies-Stiftung, die den Namen von Roberts Vater und Gründer des Tönnies-Konzerns trägt, werde daher in Zusammenarbeit mit Tröger als Projektleiter am Schlachthof Kulmbach eine Pilotanlage erstellen, die den Anforderungen der Praxis gerecht wird. Die gewonnenen Erkenntnisse, Schutzrechte und Patente werde die Stiftung der Branche zu kostendeckenden Gebühren zur Verfügung stellen, um das Tierwohl bei Betäubung und Schlachtung nachhaltig zu verbessern. Das Pilotprojekt in Kulmbach soll von der Stiftung, in der Robert als Vorsitzender des Kuratoriums fungiert und seine Frau die Geschäfte führt, mit einer niedrigen, einstelligen Millionensumme finanziert werden. 

Start im Herbst

Die neue Betäubungsanlage soll schon im Herbst im Praxisbetrieb getestet werden. Damit stellt sich Robert Tönnies gegen den eigenen Konzern und die gesamte deutsche Schlachtindustrie. Die wehrt sich bisher massiv gegen jegliche Veränderungen wie etwa neue Betäubungsmethoden. Zwar wurden von allen großen Schlachtkonzernen immer wieder Studien und Forschungen zu Alternativen finanziert. Geändert hat sich jedoch bis heute nichts. CO2 ist nach wie vor die billigste Art und Weise der massenhaften Tierbetäubung.

Helium hingegen würde die Produktion von Billig-Schnitzeln und Bratwürsten deutlich verteuern. Erhebliche Investitionen kämen auf die Schlachtkonzerne zu, denn man könne nicht einfach die alten Anlagen nutzen und CO2 durch Helium ersetzen, heißt es aus dem Umfeld der Beteiligten. Da Helium leichter als Luft sei, müssten komplett neue Anlagen gebaut werden. Ersten Schätzungen zufolge lägen die Kosten für die Betäubung mit Helium pro Schwein bei rund einen Euro, bei CO2 seien dies hingegen nur ein paar Cent. Mit Kohlendioxid werden jährlich 40 Millionen von insgesamt rund 50 Millionen Schweinen in deutschen Schlachthöfen betäubt, bevor sie durch einen Stich in die Halsschlagader getötet werden.

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