In den USA ist die Inflationserwartung so hoch wie zuletzt vor zehn Jahren. Und EZB-Direktorin Schnabel erwartet hierzulande einen Sprung über die Marke von drei Prozent.
Seit Monaten steigen in Deutschland die Preise. Im April wird die Inflation nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts bei 2,0 Prozent liegen. Insbesondere die steigenden Energie- und Rohstoffpreise wirken preistreibend. An den globalen Rohstoffmärkten rücken die Preise für Industriemetalle wie Kupfer oder Zink seit Monaten vor, da die Anleger von einer steigenden Nachfrage aufgrund der globalen Konjunkturerholung ausgehen.
Wie das Statistische Bundesamt heute mitteilt, sind in Deutschland auch die Großhandelspreise im April um 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Vergleichen mit dem März 2021 liegt das Plus bei 1,1 Prozent. Allein die Preise von Mineralölerzeugnissen kletterten um 34,1 Prozent.
Drei Prozent sind drin
In einem Interview mit „RTL/ntv“ hat EZB-Direktorin Isabel Schnabel nun einen Einblick in die Überlegungen der Europäischen Zentralbank gegeben: „In Deutschland rechnen wir damit, dass es durchaus zu einer Inflation kommen kann, die größer ist als drei Prozent.“
Einen Grund zum Gegensteuern für die Geldpolitik sieht die deutsche EZB-Ökonomin aber nicht. Man gehe davon aus, dass es sich um kurzfristige Schwankungen handele, sagte Schnabel. „Unsere geldpolitische Strategie ist mittelfristig ausgerichtet, und das bedeutet, dass wir durch all diese kurzfristigen Schwankungen hindurchschauen.“
Die EZB strebt auf mittlere Sicht einen Inflations-Idealwert für den Euroraum von knapp unter zwei Prozent an. Neue Prognosen der Notenbank-Volkswirte werden zur Zinssitzung am 10. Juni vorliegen.
Gefahr der Blasenbildung
Im April lag die Inflation im Euro-Raum bei 1,6 Prozent. In ihrer jüngsten Konjunktur-Prognose vom März hatten EZB-Volkswirte für 2021 eine Teuerungsrate von 1,5 Prozent vorausgesagt, gefolgt von 1,2 Prozent 2022.
Die drohende Inflation gehört derzeit an den Finanzmärkten zu den am meisten diskutierten Themen, wie die aktuelle Marktentwicklung zeigt. Deshalb versucht Schnabel mit ihren beschwichtigenden Aussagen vor allem, die Akteure an den Finanzmärkten zu beruhigen, die sich aktuell vor einer Veränderung der Zinspolitik fürchten. Denn eine dauerhaft steigende Inflation könnte bedeuten, dass sich die Notenbanken gezwungen sähen, ihre ultralockere Geldpolitik zurückzufahren – schlechte Nachrichten für Aktienanleger.
Aber es gibt auch eine andere Perspektive: Auf jeden Fall sei eine weniger üppige Geldpolitik ein gutes Zeichen, meint etwa Hans-Jörg Naumer, Director Global Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors (AGI). „Zum einen, weil sie den konjunkturellen Erholungspfad und den Weg raus aus der Pandemie bestätigt. Zum anderen, weil der mit den Negativ- und Niedrigrenditen einhergehende Anlagenotstand die Vermögenspreisinflation und die Blasenbildung vorantreiben kann.“
„Vorübergehende Sonderfaktoren“
Schließlich ist die globale Niedrigzinspolitik der wesentliche Grund für die die nun schon seit Jahren andauernde Kursrally an den Aktienmärkten. Erst gestern kletterte der Weltleitindex Dow Jones erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 35.000 Punkten. Im Verlauf von nur fünf Jahren hat sich der Indexpreis verdoppelt.
In den USA stieg die Inflationserwartung unterdessen mit 2,73 Prozent auf den höchsten Stand seit zehn Jahren. Im März lag die Inflation in den USA bei 2,6 Prozent. Aber auch die US-Notenbank Fed ist wie viele Experten der Ansicht, eine höhere Inflation werde nur vorübergehend sein.
Die Fachleute von AGI machen beispielsweise vorübergehende Sonderfaktoren für die aktuelle Inflationsentwicklung verantwortlich. Dazu zählen Basiseffekte im Vergleich zum Wirtschaftseinbruch des Vorjahres, steigende Rohstoffpreise und spürbare Nachholeffekte beim privaten Konsum.
Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Mai 2021 um 12:00 Uhr.