Elementarschäden

Für die Klima-Wende müssen Hauseigentümer und Mieter doppelt zahlen

12.05.2021
Lesedauer: 5 Minuten
Elbe-Hochwasser von 2013: Elementarschäden werden bis 2070 deutlich zunehmen Quelle: Getty Images

Mit den neuen Klimagesetzen kommen auf Gebäudebesitzer hohe Kosten zu. Nicht nur der CO2-Ausstoß wird teurer, auch die Risiken von Naturkatastrophen sollen neu bewertet werden. Verbraucherschützer fordern eine Pflichtversicherung gegen Starkregen und Hochwasser.

it der Neufassung des Bundes-Klimaschutzgesetzes dürften auch die CO2-Vorschriften für Gebäude noch einmal verschärft werden. Bisher wollte man den CO2-Ausstoß im Gebäudesektor, der vor allem durch Heizung, Warmwasserbereitung und Kühlung entsteht, bis zum Jahr 2030 auf 70 Millionen Tonnen pro Jahr senken. Im neuen Gesetzentwurf ist jetzt noch von 67 Millionen Tonnen die Rede. Aktuell, im Jahr 2021, sind es noch 113 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Jede weitere Reduktion ist auch mit weiteren Folgekosten für Sanierungen verbunden, also mit höheren Ausgaben für Eigentümer und Vermieter sowie mit einer höheren Belastung für Mieter.

„Klimaneutralität für Wohnungen wird nur mit erheblichem finanziellem Aufwand möglich und umsetzbar sein“, warnte am Dienstag erneut der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW, „denn die energetische Sanierung gehört zu den kostenaufwendigsten Maßnahmen beim Klimaschutz überhaupt, und die Nutzung erneuerbarer Energien ist durchweg teurer als die Verwendung fossiler Energie.“

Jetzt geraten die Hochwasserschäden in den Blick

Der Verband sorgt sich um eine kostenmäßige Überlastung der Mieter in den Wohnungen der Mitgliedsunternehmen – darunter viele kommunale, landeseigene und genossenschaftliche Firmen.

Doch die Sache mit dem CO2-Preis ist längst nicht alles. Es gibt einen weiteren Kostenfaktor für den Wohnungsmarkt. Ins Spiel gebracht wird er vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen des Bundesjustizministeriums.

In einem umfassenden Gutachten zur Lage der Verbraucher in Deutschland hat der Sachverständigenrat das Thema Hochwasserschäden in den Blick genommen – Schäden also, von denen man erwartet, dass sie häufiger auftreten werden.

Starkregenereignisse, so die Vermutung, werden in Deutschland im Zusammenhang mit dem Klimawandel zunehmen, Flüsse häufiger über die Ufer treten. In einer grafischen Darstellung gehen die Sachverständigen von einer fast drei Mal so hohen Wahrscheinlichkeit für Hochwasserschäden ab ungefähr 2070 im Vergleich zu heute aus.

Die Konsequenz aus Sicht der Sachverständigen ist klar. Sie fordern die „Einführung einer verpflichtenden Katastrophenversicherung für Wohngebäude“. Zurzeit habe sich nur ein kleiner Teil der Hauseigentümer gegen solche Gefahren abgesichert. Weil offenbar nicht jeder die Folgegefahren des Klimawandels für sich selbst als sonderlich hoch einschätzt, müsse also eine bundesweite Pflicht ausgerufen werden.

Ein passendes Prämienmodell wurde ebenfalls vorgelegt. Für die allermeisten Wohneinheiten – in diesem Falle ein Standard-Einfamilienhaus – dürften sich die Versicherungsgebühren mit fünf Euro im Monat tatsächlich in Grenzen halten.

Quelle: Infografik WELT

Wohnt man jedoch in einem Risikogebiet, würde die Pflicht-Prämie auf bis zu 50 Euro im Monat steigen, wobei Eigentümer im Schadensfall trotzdem noch einen fünfstelligen Betrag selbst übernehmen müssten. Vorgeschlagen wird eine Selbstbeteiligung von 15.000 Euro – „immer noch ein Schnäppchen“, heißt es in Kreisen der Sachverständigen, gemessen an den Schäden, die tatsächlich auftreten können, wenn der benachbarte Fluss über die Ufer tritt.

Aktuell ist es für manche Hausbesitzer in riskanteren Lagen schwierig, überhaupt eine Police zu bekommen. In anderen Lagen hingegen sind die Versicherungen im Vergleich zum Vorschlag aus dem Justizministerium teuer und kosten zwischen 20 und 30 Euro pro Monat für ein Einfamilienhaus.

Um die Tarife zu drücken, würden die Sachverständigen allerdings auch bauliche Maßnahmen vorschreiben, etwa eine Rückschlagklappe in der Abflussleitung, die verhindert, dass Wasser aus einer überlasteten Kanalisation ins Haus fließt. Ansonsten würde auch in einer neuen Klimaversicherungswelt gelten: Wer ungünstig wohnt, zahlt mehr.

Die Versicherungswirtschaft indes fremdelt noch mit der Idee einer Pflichtversicherung. „Wir verfolgen bei der Frage der Risikoabsicherung einen klaren Grundsatz: Privat vor Staat – sowohl finanziell als auch organisatorisch“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

„Eine Pflicht – gleich welcher Art – kann immer nur Ultima Ratio sein.“ Ansonsten gebe es für Verbraucher bereits jetzt die Möglichkeit, sich gegen Starkregen, Überschwemmungen und dergleichen abzusichern. Und 45 Prozent hätten das auch getan.

Auch eine Pflichtversicherung, in die alle einzahlen und deshalb das Risiko für andere mit übernehmen, werde in riskanten Lagen teuer sein, meint Asmussen: „Diese Preisdifferenzierung ist aber ausdrücklich vom Gesetzgeber gewünscht. Versicherer sind gehalten, Prämien risikoadäquat zu bestimmen.“

Er sieht die Ursache für entweder nur sehr teuer oder auch gar nicht versicherbare Objekte ganz woanders, nämlich in „Bauplanungssünden der Vergangenheit, fehlender individueller Prävention und einer Flut von Ausnahmen für den Bau in Risikogebieten“.

Dumm nur, dass etliche Bürger an Stellen gebaut haben dürften, die früher noch gar nicht als Risikogebiete galten. Folgt man außerdem der Erwartung, dass sich Starkregen- und Überschwemmungsereignisse verdoppeln bis verdreifachen, kommen ohnehin weitere Gebiete hinzu, in denen sich Eigentümer und Mieter plötzlich mit hohen Tarifen konfrontiert sehen könnten.

Vielen Berlinern etwa sind die knietief überfluteten Straßen und komplett vollgelaufenen Keller im Frühsommer des Jahres 2017 noch gut in Erinnerung.

Quelle: Infografik WELT

Unter dem Strich allerdings finden die Verbraucherschützer, dass die Wohnkosten in Deutschland für viele Bürger in den vergangenen Jahren ohnehin nicht angestiegen sind.

Für Eigentümer, die in den eigenen vier Wänden leben, seien sie im Gegenteil sogar gesunken (siehe Grafik). Insofern sei eine zusätzliche Pflichtpolice für Klimafolgeschäden durchaus tragbar, heißt es in Kreisen der Sachverständigen.

Das könnte Sie auch interessieren

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024
ARD-Show "Die 100"
26.11.2024
Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zwanzig − siebzehn =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

Nach Berichten über Menschenrechtsverletzungen in Uiguren-Region
27.11.2024
Thyssenkrupp-Krise
26.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien