Rheinmetall hat einen Großauftrag der Bundeswehr erhalten. Der Rüstungskonzern liefert ein sogenanntes fliegendes Auge. Es soll permanent über einem Feldlager in Niger kreisen. Die Abschreckung funktioniert angeblich allein durch sichtbare Überwachung.
Die Bundeswehr bekommt zum Schutz eines Feldlagers im westafrikanischen Staat Niger ein gefesseltes Luftschiff mit Überwachungssensoren. Rheinmetall tritt dabei als eine Art Dienstleister für die Bundeswehr auf, weil der Konzern das „fliegende Auge“ rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche betreibt und zur Verfügung stellt.
Die Sensorik wird von Soldaten am Boden bedient. Rheinmetall spricht von einem 21 Millionen Euro Auftrag. Über die Dauer des Einsatzes werden keine Angaben gemacht, wohl um keine Anhaltspunkte über den Einsatzverlauf der Bundeswehr in Niger zu liefern.
Die Nutzung von gefesselten Ballonen und Luftschiffen für militärische Aufklärungszwecke ist zwar für die Bundeswehr neu, wird von anderen Streitkräften aber schon lange praktiziert. Vor allem die US-Streitkräfte setzten die bei Experten als Aerostaten bezeichneten Flugkörper in Afghanistan ein.
Auch die Bundeswehr ist schon länger an der Technik interessiert. Vor vier Jahren gab es Berichte, dass die deutschen Streitkräfte gebrauchte Fessel-Luftschiffe von den Amerikanern für einen gefährlichen UN-Einsatz im Norden Malis kaufen wollten, was aber nicht umgesetzt wurde.
Die Aerostaten werden häufig auch für Grenzüberwachungsaufgaben eingesetzt. Die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache erprobte beispielsweise mit Griechenland den Einsatz von gefesselten Überwachungsballons.
Rheinmetall macht keine Angaben, in welcher Höhe das gefesselte Luftschiff über dem Feldlager der Bundeswehr schweben soll. Experten gehen von mehreren Hundert Metern aus. Je höher das mit Helium gefüllte Luftschiff schwebt, in desto größerer Entfernung können Spezialsensoren Fahrzeuge oder Menschen aufspüren, die sich dem Lager nähern.
In der Rheinmetall-Mitteilung heißt es, dass künftig die Bundeswehr „mit dieser Lösung bei Tag und Nacht mögliche gegnerische Kräfte über mehrere Kilometer Entfernung identifizieren und gegebenenfalls Maßnahmen frühzeitig einleiten“ kann. Dann verweist Rheinmetall auf Erfahrungswerte. Danach habe sich durch die Sichtbarkeit solcher Systeme – und damit einer möglichen Aufklärung – die Anschlagswahrscheinlichkeit auf die überwachten Standorte mehr als halbiert.
Wie ein Rheinmetall-Sprecher erklärte, wird das Luftschiff zugekauft. Der Clou liege in den Sensoren und der Überwachungstechnik und deren Einbindung in das militärische Führungssystem, was durch Rheinmetall Canada erfolgt. Den Betrieb des gefesselten Überwachungsluftschiffs in dem westafrikanischen Staat für die Bundeswehr wickelt die Rheinmetall Project Solutions ab. Offensichtlich sieht der Konzern wachsende Geschäftschancen in Dienstleistungen und dem Betrieb von Anlagen oder Geräten für Streitkräfte.
Für Rheinmetall ist es keineswegs der erste Auftrag für ein permanent „fliegendes Auge“. Die Kanada-Tochter hat ein ähnliches Überwachungssystem auf der Basis eines Ballons bereits mehrfach verkauft. Beispielsweise an die kanadischen Streitkräfte in Afghanistan oder auch zum Schutz und der Überwachung der Winterolympiade 2010 in Vancouver und bei den G8- und G20-Gipfeln 2010 in Kanada. Erst im Februar wurde ein weiterer Vertrag mit kanadischen Streitkräften geschlossen.
Weltweit werden mehrere Hundert der gefesselten Ballone oder Luftschiffe eingesetzt, vor allem für Militärs und Sicherheitsaufgaben, aber auch für kommerzielle Einsätze wie Telekommunikation oder für die Wissenschaft. Zu den größten Anbietern der Systeme gehört der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin, der US-Technologiekonzern Raven Industries, der Rüstungskonzern Israel Aerospace Industries und der große US-Aerostat-Konzern TCOM, der nach eigenen Angaben in weltweit 18 Staaten mit seinen fliegenden Überwachungsmodellen tätig ist.
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