Autozulieferer

Bosch verkauft Werk in Göttingen und prüft Schließung in München

19.07.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Viele Bosch-Beschäftigte müssen um ihre Zukunft bangen. (Foto: dpa)

Bosch durchforstet seine kleineren Standorte. Der Wandel vom Verbrenner zum elektrischen Antrieb stellt die soziale Verantwortung vor einen historischen Härtetest.

München Bosch dünnt sein Produktionsnetz weiter aus. Der weltgrößte Automobilzulieferer durchforstet verstärkt vor allem die kleineren Standorte, die Komponenten für Verbrennungsmotoren fertigen. Das Werk in Göttingen mit 300 Beschäftigten soll jetzt an Gotion High-Tech, den drittgrößten chinesischen Hersteller von Batterien und Energieübertragungssystemen, verkauft werden, um dort eine Montage von Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen.

Gotion High-Tech wird dazu alle Anteile der Robert Bosch Aftermarket Solutions GmbH übernehmen. Eine entsprechende Vereinbarung haben die beiden Unternehmen unterzeichnet. Den Kaufpreis nannten sie nicht.

Am Standort Göttingen hat sich Bosch bislang darauf konzentriert, gebrauchte Ersatzteile zu sortieren und aufzubereiten, damit sie anschließend wiederverwendet werden können. „Gotion High-Tech ist ein etablierter Batteriehersteller, der weltweites Wachstum anstrebt und mit dieser Übernahme seinen ersten Standort in Europa gründet“, sagt Manfred Baden, Bereichsvorstand Bosch Automotive Aftermarket.

Münchener Werk steht vor der Schließung

Zudem prüft Bosch jetzt die Schließung seines Werks im Münchener Stadtteil Berg am Laim sowie eine mögliche Produktionsverlagerung. Bosch führe „derzeit Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern zur Zukunft des Standorts“, sagte eine Konzernsprecherin dem Handelsblatt. Zuerst hatte „Merkur.de“ berichtet.

Dabei würden „verschiedene Szenarien geprüft“, darunter auch eine vollständige Verlagerung der Produktion nach Campinas, Hallein, Nürnberg oder Budweis. Zur Begründung verwies die Sprecherin auf den Wandel vom Verbrenner zum elektrischen Antrieb. Dies führe zu „erheblichen Überkapazitäten und damit zu einem hohen Anpassungsbedarf“ – eine Entwicklung, der sich auch Bosch nicht entziehen könne.

Bosch fertigt am Standort München mit derzeit 250 Mitarbeitern elektrische Kraftstoffpumpen und Einspritzventile und sei daher vom Wandel in der Automobilindustrie „unmittelbar betroffen“.

Vor wenigen Tagen hatte das Unternehmen aus gleichem Grund angekündigt, die Fertigung von Generatorenreglern am Standort in Arnstadt im thüringischen Landkreis Ilmkreis einzustellen. Rund 100 Bosch-Beschäftigte müssen hier nun um ihre berufliche Zukunft bangen.

Ab dem kommenden Jahr lägen für die Generatorenfertigung keine Aufträge mehr vor, hatte eine Sprecherin erklärt. Hintergrund sei, dass Generatoren – auch Lichtmaschinen genannt – in Elektro- oder Hybridautos nicht mehr gebraucht werden. Allen betroffenen Mitarbeitern werde eine Stelle im Werk im bayerischen Ansbach angeboten werden, hieß es. Von seinen großen Generatorenwerken wie in Hildesheim hatte sich Bosch bereits vor Jahren getrennt.

Anfang des Monats hatte der Konzern bereits erklärt, sich von drei Gießereistandorten in Hessen trennen zu wollen. Diese fertigen Gehäuse für Bremsen. Betroffen wären die Buderus Guss GmbH in Breidenbach und Ludwigshütte sowie die Robert Bosch Lollar Guss GmbH. Auch hier sieht Bosch kaum Spielraum, den Produktbereich langfristig profitabel weiterzuentwickeln.

„Bei der Auswahl legen wir großen Wert auf ein glaubwürdiges, konsistentes und langfristig tragfähiges Konzept des Käufers“, sagte Christoff Wachendorff, Leiter des Produktbereichs Brake Component. Es gebe Interessenten für die Werke, hieß es. Die IG Metall kündigte Widerstand gegen den Verkauf der Standorte an, an denen mehr als 900 Beschäftigte arbeiten.

Zehntausende Jobs in der Zulieferindustrie sind in Gefahr

In der gesamten Automobilzulieferindustrie stehen Tausende Jobs in Deutschland auf der Kippe. Continental will weltweit bis zu 30.000 Stellen, Konkurrent ZF bis zu 15.000 Stellen abbauen. ZF hat einen Transformationstarifvertrag abgeschlossen, der im Inland betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2022 ausschließt.

Anders als die beiden Konkurrenten hat Bosch noch keine Gesamtzahl beim Personalabbau genannt. Aber die Kürzungen beim Weltmarktführer belaufen sich inzwischen auch schon zusammengerechnet auf über 3000 Stellen. Die Schwaben gehen Standort für Standort vor. Das große Werk für Dieseleinspritztechnik in Bamberg mit 7000 Beschäftigten konnte im vergangenen Jahr Personalabbau durch massive Arbeitszeitverkürzung vorerst abwenden.

Nach Informationen aus Branchenkreisen dürften im Herbst weitere Entscheidungen anstehen. Gewerkschaftsvertreter befürchten, dass unter dem Deckmantel der Transformation das Netz der Inlandswerke zusätzlich ausgedünnt wird. Bosch gilt als Unternehmen, das sich besonders seiner sozialen Verantwortung bewusst ist und sich immer um Sozialverträglichkeit bemüht.

Dieser Bosch-Weg steht bei der Umstellung auf Elektromobilität vor einem historischen Härtetest. Mit Stefan Hartung kommt ab 2022 ein Mann mit Sanierungserfahrung an die Spitze des Stiftungskonzerns. Auch sein Stellvertreter Christian Fischer wird ein Sanierungsexperte und Ex-Unternehmensberater sein.

Mit Material von dpa und Reuters.

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