Mehr als drei Millionen Impfungen pro Tag: Mit ihrem rasanten Impftempo gehören die USA zu den weltweiten Spitzenreitern. Aber ein neues Phänomen stellt das Land vor ein Rästel.
Denn trotz steigender Impfquote und strikter Maßnahmen gehen die Neuinfektionen nicht überall zurück – in Michigan explodieren die Zahlen förmlich. In anderen Staaten wie Texas, wo die Maßnahmen längst gelockert wurden, sinken sie.
Wie lässt sich der scheinbare Widerspruch erklären?
Zur Übersicht: Fast jeder vierte Amerikaner (23 Prozent) ist bereits vollständig geimpft. Das ambitionierte Ziel von Präsident Joe Biden, jedem US-Bürger bis zum 19. April ein Impfangebot zu machen, rückt näher. Und trotzdem: Der 14-Tages-Schnitt der Neuinfektionen steigt landesweit derzeit um acht Prozent.
Den Bundesstaat Michigan im Norden des Landes trifft es derzeit besonders heftig: In den vergangenen 14 Tagen stieg die Zahl der Neuinfektionen um 31 Prozent auf mittlerweile rund 7600 Neuinfektionen pro Tag – siebenmal so viel wie noch Ende Februar und mehr als 10 Prozent der täglichen Fälle der gesamten USA! Und das, obwohl bereits 24 Prozent der Einwohner Michigans die zweite Impfdosis bekommen haben.
Trotzdem infizieren sich die Menschen, hauptsächlich mit der Corona-Mutation B.1.1.7. Die jüngsten Infektionen belegen, dass sich hauptsächlich Menschen der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen und Kinder anstecken – also diejenigen, die bisher nicht geimpft sind.
Als Reaktion auf die wachsenden Zahlen in Michigan verhängte die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer zwar harte Lockdowns, schloss Schulen und Geschäfte, das Tragen einer Maske wurde Pflicht.
Nun hat sie ihren Kurs geändert.
„Eine Änderung der Politik allein wird das Blatt nicht wenden“, erklärte Whitmer vorige Woche. Ihre Erklärung: Die Menschen sind Müde von den ständigen Lockdowns, halten sich nicht mehr an die Maßnahmen. Deshalb appelliert die Gouverneurin nun an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen.
Gefüllte Bars und niedrige Infektionen in Texas
Im Süden des Landes sieht die Lage anders aus. Im Bundesstaat Texas sind die Bars und Restaurants gefüllt, Videos von feiernden jungen Menschen zu Spring Break kursieren in den Medien, eine Maskenpflicht gibt es nicht.
Und mit Hinblick auf die Infektionszahlen auch einen Grund zur Freude: Die Zahl sank im 14-Tages-Trend zuletzt sogar um fünf Prozent auf aktuell rund 3400 Neuinfektionen pro Tag.
Ein möglicher Grund liefert der Unterschied im Klima: Im kühleren Michigan im Norden spielt sich vieles im privaten Bereich innerhalb von Gebäuden ab. Im deutlich wärmeren Texas dagegen treffen sich die Leute beim Restaurantbesuch dagegen öfter im Außenbereich, wo die Ansteckungsgefahr nachweislich geringer ist.
Der texanische Gouverneur Greg Abbot (Republikaner) sieht den Erfolg dagegen bei seiner Regierung. Texas sei „sehr nahe an der Herdenimmunität“, erklärte er dem Sender „Fox News“.
Seine Einschätzung ist jedoch fernab der Realität: Zwar haben 21 Prozent der Texaner ihre Zweitimpfung schon erhalten. Doch selbst mit einer zusätzlich hohen Dunkelziffer derer, die sich mit dem Virus infiziert haben und wieder genesen sind, liegt eine Herdenimmunität (laut Experten bei 70-90 Prozent) noch in weiter Ferne.
Es ist also nicht auszuschließen, dass die Zahl der Neuinfektionen auch in Texas wieder steigen. Sollte der Fall nicht eintreffen, bleibt das Corona-Rätsel – zumindest teilweise – ungelöst …