Hunderte Grüne wollen das Wort Deutschland aus dem Titel des Wahlprogramms tilgen. Aus anderen Parteien kommen Kritik, Spott und Häme.
Die Grünen sind wegen diverser Änderungsanträge zu ihrem Wahlprogramm in die Kritik geraten. Mehrere der etwa 3.500 Änderungsanträge fordern, das Wort „Deutschland“ aus dem Titel des Programmentwurfes Deutschland. Alles ist drin zu tilgen, der im Juni auf einem Parteitag beschlossen werden soll.
CSU-Generalsekretär Markus Blume warf den Grünen ein „gestörtes Verhältnis zum Vaterland“ vor und schrieb: „Regieren wollen ohne Bekenntnis zum Land – was kommt als Nächstes?“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak twitterte: „Kannste dir nicht ausdenken“, und ergänzte Beispiele, wo die Grünen das Wort „Deutschland“ demnächst streichen könnten: Deutschland sucht den Superstar, Deutschland – Ein Wintermärchen oder „Deutschland einig Vaterland“ – eine Zeile aus der DDR-Hymne, die wegen der Teilung Deutschlands schon in der DDR nur instrumental dargeboten und nicht gesungen wurde.
Auch die FDP meldete sich: „Die Grünen sind gegen Deutschland, wollen aber hier gewählt werden und regieren!?“, schrieb Generalsekretär Volker Wissing auf Twitter. „Wenn sich die Grünen so für Deutschland schämen – warum wollen sie Deutschland dann regieren?“, ergänzte Gordon Hoffmann, Generalsekretär der CDU in Brandenburg.
Ein von etwa 350 Grünenmitgliedern unterstützter Antrag will den Wahlprogrammtitel auf Alles ist drin verkürzen. „Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit“, heißt es zur Begründung. „Und nicht Deutschland.“ Initiiert hat ihn Sebastian Schneiß, Mitarbeiter im Büro des Europaabgeordneten Erik Marquardt. „Grüne Politik sollte sich an Menschenwürde und Freiheit in einer globalisierten Welt ausrichten“, begründete er seinen Antrag in einem Tweet.
Ein weiterer, von etwa 25 Mitgliedern unterstützter Antrag will den Titel in Grün. Alles ist drin ändern. Grund: Sie fühlen sich an die AfD erinnert: „Der Titel ist nichtssagend, er gibt keinen Hinweis auf die Partei, er hätte von jeder anderen Partei sein können.“ Am besten noch passe er zu AfD, die ihr Wahlprogramm Deutschland. Aber normal. betitelt hat.
Weiter begründen diese Antragsteller, das Wort „Deutschland“ könne „sehr negativ assoziiert werden“ und in Richtung „Deutschland über alles“ oder „Deutschland first“ à la Trump gedeutet werden.
Das Verhältnis der Grünen zu Deutschland, der sogenannten Vaterlandsliebe und dem Patriotismus ist in der Tat ambivalent. Besonders Parteilinke vermeiden gern jede Rhetorik, die das Nationale betont, und ordnen Deutschland lieber im europäischen Kontext ein. Unter den Grünen fanden sich in den Achtzigerjahren viele Warner vor einer Wiedervereinigung, die Nationalismus stärken könnte. Zugleich aber gibt es durchaus grüne Bekenntnisse zu Patriotismus, so etwa von dem langjährigen Fraktionschef Cem Özdemir, der Patriotismus als „eine Art Gefühlsbindung“ bezeichnete und am Rande der gescheiterten Jamaika-Koalitionsverhandlungen 2017 sagte, man habe sich bis „an die Schmerzgrenze“ auf die anderen Parteien zubewegt, aus Verantwortung. „Oder nennen Sie es Patriotismus.“
Aber auch inhaltlich kritisierten andere Parteien das Wahlprogramm. Die CDU-Zentrale in Berlin erstellte eine dreiseitige Argumentationshilfe unter dem Titel Kurzanalyse des Wahlprogramms Bündnis 90/Die Grünen an die Bundestagsabgeordneten. In dem Papier heißt es: „Die Grünen reden viel über Zukunft, aber sobald es in ihrem Programmentwurf konkret wird, bieten sie nur linke, kostenintensive Rezepte an.“ Das erinnere an einen Fliegenpilz: „Sieht schön aus, ist aber ungenießbar.“ Auch die parteinahe Lobbyvereinigung CDU-Wirtschaftsrat analysierte auf 22 Seiten die Programmthesen und thematisierte daraus folgende Auswirkungen.