Kampf gegen Corona

Jetzt bricht der große Unmut über die Tests in den Schulen aus

16.04.2021
Lesedauer: 6 Minuten
Mit jeder Menge Tests will die Bundesregierung die Zahl der Corona-Infektionen und die Virus-Verbreitung in den Griff bekommen. PCR-Test, Antigentest, Schnell- und Selbsttest. Die Palette ist vielfältig. Was können die Tests, und was bringen sie? Quelle: WELT/ Nadine Jantz

Die meisten Bundesländer führen am Montag verbindliche Corona-Tests an den Schulen ein. Dagegen klagen Eltern und Schüler vor Gericht. Auch Schulleiter, Lehrer, Gewerkschaften sowie Elternvertreter üben Kritik: Aber nicht wegen der Pflicht – sondern wegen ihrer Umsetzung.

Kinder, die mit Teststäbchen in der Nase bohren, und Lehrer, die die Schüler mit einem positiven Corona-Test isolieren und zugleich den Rest der Klasse beaufsichtigen müssen: Von Montag an wird in 13 Bundesländern an den Schulen getestet. Die Verpflichtung dazu ist ebenso umstritten wie die Vorgehensweise dabei. Die Kontrolle möglicher Ansteckungen unter den Schülern wird zu einem weiteren Test des Managements der Pandemiebekämpfung.

Lange hieß es, Schulen seien keine Treiber des Infektionsgeschehens, doch seit einigen Wochen steigen die Fallzahlen bei Jugendlichen deutlich. Und das Alter der Patienten, die Corona-bedingt auf Intensivstationen liegen, sinkt. Damit die Schulen nach dem Unterrichtsbeginn nicht zu Infektionshotspots werden, setzen die meisten Bundesländer auf Massentests – und viele auf die Pflicht dazu. Schulleiter sowie Vertreter von Lehrern kritisieren nun die Art, wie die Tests vorgenommen werden, scharf. Und in mehreren Bundesländern gehen Eltern sowie Schüler vor Gericht gegen die Testpflicht vor.

Die Klagen, die in Einzelfällen erfolgreich waren, könnten dazu führen, dass in den Klassenzimmern manche Schüler getestet sind und andere nicht. Das zumindest befürchtet der Oberbürgermeister von Weimar, Peter Kleine (parteilos). Dort hatte das Amtsgericht vor wenigen Tagen zwei Schulen untersagt, Schülern die Teilnahme an Tests vorzuschreiben (Az.: 9 F 148/21).

„Das Urteil, wonach Kinder von der Test- und Maskenpflicht ausgenommen werden können, bringt uns in eine schwierige Situation“, kritisiert Kleine die Entscheidung. „Wir könnten nun getestete neben nicht getesteten Kindern haben; solche, die Masken tragen, und solche, die das nicht tun. Das bringt natürlich im Sinne des Infektionsschutzes nichts.“

Das Amtsgericht habe außerdem geurteilt, dass die Schulen insgesamt keine Vorgaben zur Pflicht von Tests und zum Maskentragen erlassen dürfen. „Das gilt also nicht nur für die Kläger, sondern für alle an den Schulen. Das halte ich nicht nur für äußerst grenzwertig, sondern für schlicht weg falsch“, sagt Kleine. „Dies trägt leider zu noch mehr Verwirrung und Unsicherheit bei.“

Und die ist nicht nur auf Weimar beschränkt. In Thüringen sind inzwischen nach Angaben des Bildungsministeriums acht entsprechende Klagen anhängig, in Nordrhein-Westfalen gibt es eine Klagewelle vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) gegen die Testpflicht an Schulen. Es habe bei keinem anderen Corona-Thema in kurzer Zeit so viele Eingänge von Bürgern gegeben, sagt eine OVG-Sprecherin.

Im Bildungsministerium Thüringens spricht man anders als OB Kleine von einer Einzelfallentscheidung, die keinen Einfluss auf die übrigen Schüler habe. Aber was passiert, wenn immer mehr Schüler und Eltern klagen? Noch gibt es in Thüringen keine Testpflicht, die wird dort nur geprüft. Das Urteil und die weitere Entwicklung werden also vor allem in denjenigen Bundesländern genau beobachtet, die die Pflicht bereits haben.

Wie Berlin zum Beispiel. Auch dort schwelt ein Konflikt über die Testpflicht. Konkret darüber, wie sie umgesetzt wird. Vorgeschrieben ist, dass das in den Schulen selbst passiert, zweimal die Woche je Schüler. Wer keinen negativen Test vorweisen kann, darf am Unterricht nicht teilnehmen.

Ralf Treptow, Leiter des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums und Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren in Berlin, hält das Vorgehen für falsch. „Die Schnelltests müssen zu Hause gemacht werden, Eltern müssen ihre Kinder unterstützen können“, fordert er. „Es ist unsinnig, positive Lehrer und Lehrerinnen beziehungsweise positive Schüler in die Schule zu lassen, um sie dann hier zu testen. Was angesichts der großen Anzahl von Tests, die dann gleichzeitig durchgeführt werden müssten, auch gar nicht geleistet werden kann.“

Wer entsorgt eigentlich die Tests?

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) schlägt Alarm. Er spricht sich dagegen aus, Lehrern die Verantwortung für Corona-Tests zu überlassen. „Wir dürfen sonst richtigerweise nicht mal eine Schmerztablette verabreichen. Wenn sich aber 25 Kinder gleichzeitig einen Plastikstab in die Nase einführen, wird das Risiko einfach kleingeredet“, sagt VBE-Chef Udo Beckmann WELT. Eine Aufsicht über diese Durchführung zu haben werde zu einer Unmöglichkeit.

Es sei zudem nicht geklärt, was mit kleinen Kindern bei einem positiven Testergebnis geschehe, kritisiert Beckmann: „Sie können ja schlecht mit dem Bus zurück nach Hause fahren. Wo sollen sie auf Erziehungsberechtigte warten?“ Verängstigte Kinder könnten in der Klasse nicht aufgefangen werden. Unklar sei auch, wer die Tests entsorge.

Der VBE fordert, externe Helfer zum Testen einzusetzen: „So kann eine räumliche Separierung, ein Schutz vor Übertragung des Virus, die angemessene gesundheitliche und psychologische Begleitung von positiv Getesteten und der fachgerechte Umgang mit dem produzierten Sondermüll sichergestellt werden“, sagt Beckmann. Damit könnten sich die Lehrer auch wieder darauf konzentrieren, den Alltag mit den Schülern zu gestalten.

In einigen Bundesländern wie Bayern hat man mit der Umsetzung der Testpflicht bereits begonnen; Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Rheinland-Pfalz lehnen eine Pflicht dagegen ab. Und dort, wo sie gilt und Tests in den Schulen gemacht werden, verteidigen die Landespolitiker die Entscheidung vehement. „Wir brauchen größtmögliche Sicherheit. Das geschieht am ehesten, wenn die Tests an Schulen stattfinden“, sagt etwa Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP). Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verteidigt die Vor-Ort-Tests: „Eine Teilnahme am Unterricht gibt es nur mit negativem Ergebnis.“

Was für Sicherheit bei Schülern wie Lehrern sorgen soll, wird dennoch von der Lehrergewerkschaft GEW kritisch gesehen. Selbsttests ohne zusätzliches Personal durchzuführen sei sehr schwer machbar, sagt GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann. Die Schülerinnen und Schüler brauchten Anleitung, einige auch Assistenz.

„Viele fänden es besser, wenn man die Schüler anderswo testen lässt“
„Viele fänden es besser, wenn man die Schüler anderswo testen lässt“. Quelle: dpa

Und wenn Kinder positiv getestet werden, bestehe die Gefahr der Diskriminierung, fürchtet Hoffmann: „Es kann passieren, dass positiv getestete Schülerinnen und Schüler gehänselt und ausgegrenzt werden. Diese Befürchtungen werden sowohl von Eltern als auch von Lehrkräften geäußert.“ Die Schulen brauchten deshalb personelle Unterstützung und Hinweise zum Umgang mit positiven Testergebnissen sowie zur Entsorgung des Testmaterials.

Flut von Mails

Auch in der Lehrerschaft besteht Skepsis gegenüber der Umsetzung der Corona-Tests. „Viele Lehrer haben Angst, damit überfordert zu sein, oder auch Sorge um ihre Gesundheit“, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, WELT. Allerdings habe er aus Bayern bislang positive Rückmeldungen bekommen, viele Schulleitungen seien zuversichtlich.

Eine einheitliche Position gebe es aber innerhalb des Verbands nicht, betont Meidinger. Letztlich gelte immer, zwischen der medizinischen Notwendigkeit und einer möglichen Zumutung für die Kinder abzuwägen. Die Tests in einem Zentrum zu machen und der Schule darüber einen Nachweis vorzulegen, hält er für problematisch – da wegen des zusätzlichen Aufwands dann möglicherweise viele Schüler der Schule fernblieben.

Der Bundeselternrat bekommt derzeit eine Flut von Mails zu dem Thema. Vor allem Grundschuleltern sorgten sich um das Wohl ihrer Kinder, sagt die Vorsitzende Sabrina Wetzel WELT: „Viele fänden es besser, wenn man sie anderswo testen lässt als ausgerechnet in der Schule.“ Die Tests seien außerdem kein Allheilmittel für die Schulen. „Man hätte lieber mehr Geld in die Hand nehmen sollen und die Schulen mit Lüftungsanlagen ausstatten sollen. Dann hätten wir das Problem jetzt nicht.“

Immerhin die Bundesschülerkonferenz spricht sich klar für eine Testpflicht in der Schule aus, wie Generalsekretär Dario Schramm sagt. „Sicherer Präsenzunterricht kann nur gewährleistet werden, wenn wir Infektionsketten unterbrechen. Da ist das Stäbchen in der Nase das kleinere Übel.“ Relevante Stimmen dagegen habe es in der Schülerschaft nicht gegeben.

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