Berlin

„Jagdszenen“ zwischen Linksextremen und der Polizei – 240 Festnahmen bei Mai-Demonstrationen

01.05.2021
Lesedauer: 5 Minuten
In mehreren deutschen Städten ziehen zum 1. Mai Demonstranten durch die Straßen. Bis auf kleinere Ausschreitungen läuft alles friedlich ab. Doch die Stimmung könnte noch kippen. Die Polizei rüstet auf. Quelle: WELT/ Alina Quast

Berlin hat eine der größten Mai-Demonstrationen der vergangenen Jahre erlebt. Teilnehmer zogen randalierend durch Neukölln, setzen Barrikaden in Brand und griffen Polizisten mit Flaschen und Steinen an. Es gab hunderte Festnamen und 20 verletzte Beamte. Am späten Abend beruhigte sich die Lage.

Die sogenannte revolutionäre 1. Mai-Demonstration in Berlin ist am Samstagabend in Gewalt umgeschlagen. Auf der Sonnenallee in Neukölln warfen Demonstranten Flaschen und Steine auf Polizisten, errichteten brennende Barrikaden und zündeten ein Auto an. Ein WELT-Reporter berichtete von „Jagdszenen“, die Polizei zog sich zunächst in Seitenstraßen zurück.

Mehrere Stunden lieferten sich Randalierer und Beamte ein Katz-und-Maus-Spiel an der Kreuzung der Sonnenallee mit der Weichselstraße. Sanitäter waren im Einsatz, die Polizei setzte Pfefferspray ein und nahm Teilnehmer fest. Erst gegen 22.30 Uhr beruhigte sich die Lage.

Die Berliner Feuerwehr löschte brennende Mülltonnen. Zunächst hatte die Polizei dafür den Einsatz eines Wasserwerfers angekündigt. In der Nacht sicherten mehrere Hundertschaften die Gegend um die Sonnenallee, Beamte auf den Gehsteigen wiesen Passanten und ehemalige Teilnehmer auf den Beginn der Ausgangssperre um 22 Uhr hin.

Der Protestzug, der am Hermannplatz mit Verspätung gestartet war und zum Oranienplatz in Kreuzberg laufen wollte, steckte über Stunden hinter der Kreuzung fest und kam nicht weiter. Die Polizei hatte am Rathaus Neukölln einen Block mit schwarz gekleideten Demonstranten isoliert, in der Folge war der Zug zweigeteilt.

Polizisten eilen an einer brennenden Mülltonne auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln vorbei
Polizisten eilen an einer brennenden Mülltonne auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln vorbeiQuelle: REUTERS

Videos zeigen, dass sich neben Linksextremen auch eventorientierte Jugendliche und junge Erwachsene unter die Randalierer mischten. Als ein Skateboarder versucht, über brennende Mülltonnen zu springen, wird dieser von der Polizei unsanft vom Skateboard gedrängt.

Wie die Polizei mitteilte, wurde die Demonstration gegen 21.05 Uhr offiziell durch den Veranstalter für beendet erklärt, nachdem dieser selbst aus der Menge heraus angegriffen wurde. Die Polizei zog ihre Verbindungskraft zu dem Mann ab.

240 Festnahmen und 20 verletzte Polizisten

„Gewalt anzuwenden im Rahmen von Versammlungsfreiheit ist absolut inakzeptabel“, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. In einer ersten Schätzung in der Nacht zum Sonntag sprach Slowik von 20 verletzten Polizisten. Über den Tag verteilt habe es 240 Festnahmen bei dieser und weiteren Demonstrationen gegeben, so eine Polizeisprecherin.

Slowik sprach von einem „linken Block“, der die Corona-Hygienevorschriften nicht eingehalten habe. Diese Gruppe sei von der Versammlung ausgeschlossen worden. Der überwiegende Teil der Demonstranten am Mai-Feiertag habe aber unter Beweis gestellt, dass man mit Hygienevorschriften, mit Masken und Abstand demonstrieren könne.

Start verzögerte sich, weil Mindestabstände nicht eingehalten wurden

Die Polizei geht bisher von 8000 bis 10.000 Teilnehmern aus. Beobachter sprachen hingegen von einer der größten 1. Mai-Demonstrationen der vergangenen Jahre mit rund 15.000 Teilnehmern. Die Organisatoren gaben die Teilnehmerzahl mit mehr als 25.000 Menschen an. Angemeldet waren lediglich 1000 Demonstranten. Die Polizei war mit einem Großaufgebot von rund 5600 Beamten im Einsatz.

Der Hermannplatz war am Samstagabend voller Demonstranten
Der Hermannplatz war am Samstagabend voller DemonstrantenQuelle: dpa/Christoph Soeder

Der Start hatte sich verzögert, weil Corona-Mindestabstände nicht eingehalten wurden. Damit sich das Ganze weiter entzerrt und die Abstände besser eingehalten werden können, sei das Loslaufen nun gestattet worden, teilte die Polizei mit. „Wir werden die Einhaltung der Mindestabstände und das Tragen des Mund-Nase-Schutzes weiter im Auge behalten“, twitterte die Polizei. Demnach waren einige Teilnehmer stark alkoholisiert.

Wohnungspolitik könnte weitere Demonstranten zur Teilnahme motiviert haben

In der riesigen Menge schwenkten Teilnehmer Fahnen und zeigten Transparente. Aus Lautsprecherwagen erklang laute Musik und die Bitte der Veranstalter, Masken zu tragen und Abstand zu halten. Zu hören waren aber auch Rufe gegen die Polizei. Zudem wurden Feuerwerkskörper gezündet. Die Straßen waren zum Teil abgesperrt, viele Mannschaftswagen der Polizei waren postiert.

„Yallah Klassenkampf“: Tausende Menschen ziehen durch die Stadt
„Yallah Klassenkampf“: Tausende Menschen ziehen durch die StadtQuelle: REUTERS

Neben migrantischen Organisationen hatten auch Initiativen für bezahlbaren Wohnraum zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. „Es könnte durchaus dazu kommen, dass sich sehr viele Menschen zu diesem Thema auf die Straße begeben“, sagte der Sprecher der Berliner Polizei, Thilo Cablitz. Die Polizei rechnete auch mit Gruppen aus der linksradikalen und linksautonomen Szene sowie zahlreichen Schaulustigen.

Zuvor waren in Berlin mehrere Demonstrationen am Tag der Arbeit zunächst ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Die Lage am Samstagnachmittag war „weitestgehend ruhig“, sagte Cablitz. Nach sieben beendeten Kundgebungen waren bis zum späten Samstagnachmittag rund 60 Anzeigen erstattet worden, hauptsächlich wegen Verstößen gegen Corona-Regeln.

Polizisten stehen Demonstranten gegenüber
Polizisten stehen Demonstranten gegenüber Quelle: AFP/TOBIAS SCHWARZ

Ein Fahrradkorso mit mehr als 10.000 Teilnehmenden fuhr am Samstagnachmittag durch das Villenviertel Grunewald, um für mehr soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren. Zudem demonstrierten rund 4000 Menschen für den Erhalt der Clubszene. Die Polizei musste mehrfach auf die Einhaltung von Hygienevorschriften hinweisen. Insgesamt sei aber auch diese Veranstaltung „ruhig“ verlaufen, sagte Cablitz.

Bei einer Demonstration von Corona-Skeptikern im Berliner Stadtteil Lichtenberg kam es dem Sprecher zufolge zu rund 60 sogenannten Freiheitsbeschränkungen, „ganz überwiegend wegen Verstößen gegen den Infektionsschutz“. Es gab auch zwei Gegendemonstrationen.

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