Eine Formulierung zum Durchsetzen der Corona-Testpflicht an Schulen stößt in Hanau auf Entsetzen. Die Jugendämter wussten nichts davon.
Hanau – Der Satz klingt martialisch. Und er schießt nach Meinung so mancher, die ihn lesen, weit über das Ziel hinaus. Denn er könnte den Eindruck erwecken, dass das Jugendamt eingeschaltet wird, wenn Eltern ihre Schulkinder nicht gegen Corona testen lassen. Er stammt aus einem Schreiben des Hessischen Kultusministeriums.
Seit Ende der Osterferien am Montag (19.04.2021) sind Schülerinnen und Schüler in Präsenzunterricht verpflichtet, sich zweimal pro Woche selbst zu testen oder testen zu lassen. „Kommen die Erziehungsberechtigten den ihnen hier obliegenden Pflichten nicht nach oder verweigern sie diese, sind sie darauf hinzuweisen, dass in diesem Fall das Jugendamt zwecks Inobhutnahme des Kindes bzw. der/des Jugendlichen verständigt werden muss“, heißt es in einem Brief an die Schulleiterinnen und Schulleiter des Main-Kinzig-Kreises, der der Frankfurter Rundschau vorliegt.
In den Absätzen davor wird die Rechtslage erläutert und das Verfahren für den Fall, dass ein Test verweigert wird oder die Einverständniserklärung der Eltern fehlt. Unterzeichnet ist der Brief von der Leiterin eines Staatlichen Schulamtes in Hanau.
Corona-Tests in Hanau: „Wir setzen lieber auf Überzeugung“
Für den Main-Kinzig-Kreis kommt die Androhung, das Jugendamt bei Testpflichtverweigerung einzuschalten, überraschend. Ein solches Vorgehen sei mit den Jugendämtern des Landkreises und der Stadt Hanau nicht abgestimmt, „weder vorgesehen noch jugendhilferechtlich vertretbar“, sagt Kreissprecher John K. Mewes am Dienstag (20.04.2021) der Frankfurter Rundschau. Ein solch hartes Durchgreifen widerspreche im Übrigen auch der Überzeugung des Kreises. „Wir setzen beim Durchsetzen der Testpflicht lieber auf Überzeugung.“
Nach Angaben des Hessischen Kultusministeriums sind bei der Leiterin des Staatlichen Schulamts inzwischen mehrere Beschwerden von Schulen und Eltern eingegangen. Sie bedauere mittlerweile die „skurrile Formulierung“. Diese stamme nicht von ihr selbst, sondern aus dem Kultusministerium, räumt Sprecher Philipp Bender ein.
„Skurrile Formulierung“ zu Corona-Testpflicht in Hessen stammt aus Antwort des Ministeriums
Es handele sich aber nicht um einen Formbrief, der an alle Schulleiterinnen und Schulleiter in Hessen ging. Vielmehr habe die Amtsleiterin sie einer Antwort des Ministeriums auf die Frage entnommen, wie zu reagieren sei, wenn Eltern sich stundenlang weigern, ihre ungetesteten Kinder abzuholen, um die „Beschulung zu erzwingen“. Die Polizei zu rufen, wäre der falsche Weg. Deshalb habe das Ministerium für diesen „worst case“ das Einschalten des zuständigen Jugendamts empfohlen, sagt Bender: „Es geht um den absoluten Notfall.“ (Jutta Rippegather)