Geringe Fallzahl

Corona-Studie: Astrazeneca schützt kaum vor südafrikanischer Variante

20.04.2021
Lesedauer: 5 Minuten
In Israel haben sich mehr geimpfte Menschen mit der südafrikanischen Corona-Variante infiziert, als Forschende erwartet hatten. Ein schlechtes Zeichen?© Bodo Schackow/dpa

britische Variante B.1.1.7, die in vielen Ländern und auch in Deutschland den „Wildtypus“ von Sars-CoV-2 fast komplett verdrängt hat, scheint das zu gelten; mit allenfalls kleinen Einbußen bei der Wirksamkeit. Anders sieht es bei der erstmals in Südafrika aufgetauchten Variante B.1.351 aus.

Dazu kommen schlechte Nachrichten aus Israel: Laut einer aktuellen Studie der Universität Tel Aviv und der Clalit Healthcare Organisation – der größten Krankenkasse in Israel – haben sich Geimpfte achtmal so häufig wie Ungeimpfte mit der südafrikanischen Variante angesteckt. Allerdings handelt es sich insgesamt um nur sehr geringe Zahlen, da dieser Virusstamm in Israel kaum verbreitet ist, 90 Prozent der Infektionen gehen dort auf die britische Variante zurück. Die Studie wurde bislang nur preprint auf medRxiV veröffentlicht und noch nicht begutachtet.

Impfschutz von mRNA-Vakzinen bei südafrikanischer Corona-Variante nicht immer wirksam

In Israel haben 4,9 Millionen Menschen – rund 53 Prozent der Bevölkerung – bereits beide Impfdosen erhalten. Dort werden ausschließlich mRNA-Vakzine gespritzt, der größte Teil stammt von Biontech/Pfizer, ein kleinerer von Moderna. Das Forschungsteam hatte für seine Studie die Proben von 150 Menschen untersucht, die positiv auf das Coronavirus getestet worden und teils asymptomatisch infiziert, teils aber auch erkrankt waren, obwohl sie entweder bereits die erste Impfung oder sogar beide Impfungen bekommen hatten.

„Basierend auf dem Bild in der Gesamtbevölkerung hätten wir erwartet, einen Fall einer Infektion mit der südafrikanischen Variante zu finden, aber wir sahen acht“, zitiert die „Times of Israel“ die Studienleiterin Adi Stern: „Dieses Ergebnis machte mich nicht glücklich.“ Im Vergleich mit dem originalen Virusstamm und der britischen Variante sei die südafrikanische Variante dazu in der Lage, den Impfschutz zu durchbrechen. Die Studie sei „sehr wichtig“, erklärte Ran Balicer, Forschungsdirektor der Clalit Healthcare Organisation, weil es die erste sei, die auf Daten aus der realen Welt basiere.

Bereits Ende März hatten Wissenschaftler:innen der Ben-Gurion-Universität des Negev bei Laborversuchen festgestellt, dass der Impfstoff von Biontech-Pfizer nicht in der Lage war, die südafrikanische Variante vollständig zu neutralisieren und auch weniger effektiv gegen Stämme wirkte, die Eigenschaften sowohl der britischen als auch der südafrikanischen Variante trugen.

Corona-Studie mit „Real-World-Daten“ schneidet schlechter ab als Laborversuch

Dieses Forschungsteam hatte für seine Studie mit den Proben von Menschen, die eine natürliche Infektion überstanden hatten, sowie mit Proben von komplett und mit der ersten Dosis Geimpften gearbeitet. Dieses Material wurde in der Petrischale sogenannten Corona-Pseudoviren ausgesetzt. Damals sah das Ergebnis so aus, dass es eine reduzierte, aber immer noch vorhandene Wirksamkeit gegen die südafrikanische Variante gab. Diese fiel höher aus als nach einer überstandenen Infektion mit dem „Wildtypus“ von Sars-CoV-2.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie mit „Real-World-Daten“ muten im Vergleich dazu schlechter an. Ran Balicer von der Clalit Health Organisation betont deshalb, es sei wichtig, wachsam zu bleiben. Das schließe ein, weiter in geschlossenen Räumen Masken zu tragen und Social Distancing zu praktizieren. Notwendig sei auch ein epidemiologisches Monitoring und das systematische Sequenzieren des Virusmaterials in Corona-positiven Proben.

Zwei Hände halten drei Schälchen mit Spritzen und Pflastern
Am beunruhigendsten an der Studie aus Israel klingt die Tatsache, dass sich Geimpfte häufiger als Ungeimpfte mit der südafrikanischen Variante infizierten. (Symbolbild)
© Christian Charisius/dpa

Bislang ist die südafrikanische Variante in Israel selten. Studienleiterin Adi Stern geht davon aus, dass sie für nur etwa ein Prozent der Infektionen verantwortlich ist. Andere Mutanten wurden bei der Studie nicht gefunden. Die Forscher:innen vermuten, dass die Bedingungen in Israel günstiger für die britische als die südafrikanische Variante sind.

Astrazeneca-Impfstoff schützt kaum noch vor südafrikanischer Corona-Variante

Bereits vor Wochen hatte eine Studie aus Südafrika ergeben, dass auch das Vakzin von Astrazeneca, das als Vektorimpfstoff auf einer anderen Technologie, basiert, kaum noch vor der südafrikanischen Variante schützt. Die Impfungen mit dem Vakzin waren deshalb in Südafrika gestoppt worden.

Am beunruhigendsten an der Studie aus Israel klingt die Tatsache, dass sich Geimpfte häufiger als Ungeimpfte mit der südafrikanischen Variante infizierten – auch wenn es insgesamt nur acht Fälle gab. Die Studie macht zudem keine Aussage darüber, ob und wie schwer die mit B.1.351 infizierten Geimpften an Covid-19 erkrankt waren. Könnte hier möglicherweise die sogenannte „Antigenerbsünde“ zum Tragen kommen? Es gibt bereits vereinzelte wissenschaftliche Arbeiten, die sich im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 dieser Theorie widmen. Dabei ist zu betonen, dass es sich bei der Antigenerbsünde um eine Theorie handelt, nicht um eine nachgewiesene Tatsache.

Corona-Impfung: Greift die Antigenerbsünde? Immunsystem auf alte Version fixiert

Die Annahme: Das Immunsystem kann, wenn es schon einmal mit einem Virus infiziert war und dann mit einer neuen Variante konfrontiert wird, dazu tendieren, Antikörper nur gegen solche Strukturen zu bilden, wie es sie vom ursprünglichen Erreger kennt. Das Immunsystem würde dieser Theorie nach stets Antikörper-Versionen gegen dieses beim ersten Kontakt kennengelernte Antigen bilden und wäre nicht mehr richtig dazu in der Lage, sich umzustellen. Das Prinzip ließe sich auch auf eine Impfung übertragen. Diese könnte sich dann im schlimmsten Fall nachteilig auswirken, wenn man einer neuen Variante eines Virus ausgesetzt ist, weil das Immunsystem auf eine alte Version des Antigens fixiert ist. Im Fall von Sars-CoV-2 handelt es sich bei dieser Zielstruktur um das Spike-Protein, sämtliche zugelassenen Impfstoffe orientieren sich an der originalen Version dieses Proteins.

Nun treten die Mutationen der neuen Virusvarianten aber ausgerechnet an diesem Spike-Protein auf, bei der südafrikanischen Variante in noch massiverem Umfang als bei der britischen. Im britischen Wissenschaftsmagazin „The Conversation“ schreibt der US-amerikanische Immunologie Matthew Woodruff von der Emory University in Atlanta über dieses Problem. Er sei besorgt, dass Impfstoff-Updates, die an die neue Virusstämme angepasst würden, bei Menschen weniger wirken könnten, die bereits eine Impfung mit den ersten Vakzinen erhalten haben. Das Immungedächtnis könne in diesem Fall das Entstehen einer guten Immunantwort auf die angepassten Vakzine stören. Die Wissenschaftswelt müsste sich mit diesem entstehenden Problem beschäftigen und an „komplexen“, Impfstoffen arbeiten, die gegen viele Virusstämme wirken. An solchen Vakzinen wird bereits im Fall der Influenza geforscht. Das Wissen daraus, so der US-Immunologe, müsse sofort auf Sars-CoV-2 übertragen werden. (Pamela Dörhöfer)

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