Heute setzt WhatsApp seine neuen Datenschutz-Bestimmungen um. Damit will der Messenger die Basis für mehr Kommunikation mit Unternehmen legen. Was genau mit den Nutzerdaten passiert, bleibt aber unklar.
Ab dem 15. Mai gelten bei WhatsApp neue Datenschutz-Bestimmungen. „Wir nehmen Änderungen an unseren Nutzungsbedingungen und unserer Datenschutzrichtlinie vor, bei denen es um den Nachrichtenaustausch auf WhatsApp zwischen Unternehmen und ihren Kunden geht“, schreibt der zu Facebook gehörende Konzern in einem Blogeintrag auf seiner Website.
Konkret sollen die weltweit zwei Milliarden Nutzer des Dienstes künftig optional mit mehr Firmen kommunizieren können, um Fragen zu stellen, Einkäufe zu tätigen oder Informationen über Bestellvorgänge zu bekommen. Beispielsweise Fluggesellschaften oder Einzelhändler hätten so die Möglichkeit, WhatsApp in ihren Kundenservice einzubinden.
Bei Nicht-Zustimmung App bald nicht mehr nutzbar
User, die dem Update nicht zustimmen, werden WhatsApp weiter ohne Einschränkungen bedienen können – vorerst. Denn nach einigen Wochen bekommen sie permanente Warnhinweise, woraufhin die Funktionalität der App nach und nach verloren geht.
Im ersten Schritt können Betroffene dann nicht mehr auf ihre Chatlisten zugreifen. Die Möglichkeit, eingehende Audio- und Videoanrufe anzunehmen sowie Nachrichten über die Benachrichtigungsleiste des Handys zu beantworten, bleibt aber bestehen. Wiederum ein paar Wochen später erhalten Nutzer auf ihren Smartphones schließlich weder Anrufe noch Hinweise auf Nachrichten und können das Programm somit nicht mehr verwenden.
Hintergrund der Datenschutz-Änderung und der neuen Funktion ist der Plan des Mutterkonzerns Facebook, endlich Geld mit WhatsApp zu verdienen, nachdem das Unternehmen 2014 für rund 22 Milliarden Dollar übernommen wurde. Bisher trug der ehemalige Konkurrent WhatsApp wenig zum Gewinn bei. Das soll sich durch die Kommunikation mit Unternehmen ändern. Denn für ein professionelles Angebot zahlen diese Gebühren.
Heftige Kritik
Das Update schlägt seit der Ankündigung zu Beginn des Jahres heftige Wellen. Warnungen vor einem stärkeren Datenaustausch mit Drittunternehmen und vor allem mit Facebook wurden laut. Zahlreiche Nutzer kehrten WhatsApp den Rücken und wanderten zu anderen Diensten ab, woraufhin die eigentlich für Februar geplante Einführung der neuen Bestimmungen um mehr als drei Monate verschoben wurde.
WhatsApp hatte stets betont, dass mit der Aktualisierung keine erweiterte Datenweitergabe an Facebook verbunden sei. „An unseren Bemühungen, deine Privatsphäre zu schützen, ändert sich nichts“, so das Unternehmen. An der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der nur die teilnehmenden Nutzer die persönlichen Chats im Klartext lesen können, werde nicht gerüttelt. Auch für WhatsApp oder Facebook seien die Inhalte nicht sichtbar.
Allerdings mit einer Einschränkung: „Wenn du mit einem Unternehmen über Telefon, E-Mail oder WhatsApp kommunizierst, kann es die Informationen aus diesen Interaktionen mit dir für eigene Marketingzwecke verwenden. Dies kann auch Werbung auf Facebook einschließen“, heißt es auf der Homepage.


Aktuelles Verfahren
Ohnehin teilt der Messenger nach eigenen Angaben schon länger Informationen mit Facebook: etwa die Telefonnummer, die Gerätekennung oder die Betriebssystemversion sowie Nutzungsdaten. Trotz aller Bekenntnisse von WhatsApp, darüber hinaus nicht mehr Daten an den Mutterkonzern weitergeben zu wollen, wurden zuletzt Datenschützer aktiv.
So darf Facebook nach einer Anordnung des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar in Deutschland keine personenbezogenen Daten seines Messengerdienstes mehr verarbeiten, sofern dies zu eigenen Zwecken erfolgt. Dafür fehle eine ausreichende rechtliche Grundlage, teilte die Behörde in dieser Woche mit. Die Anordnung in dem im April eröffneten Dringlichkeitsverfahren auf Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt lediglich für drei Monate, weil in Europa für Facebook die irische Datenschutz-Behörde zuständig ist.
WhatsApp entgegnet, die Anordnung basiere „auf einem grundlegenden Missverständnis von Ziel und Folgen des Updates“. Es werde keine Änderungen an der Einführung der neuen Nutzungsbedingungen geben, sagte ein Sprecher.
„Unklar und schwammig formuliert“
Auch Verbraucherschützer üben massive Kritik an den neuen Datenschutz-Bestimmungen. „Die Erklärungen sind an der ein oder anderen Stelle unklar und schwammig formuliert“, sagt Ayten Öksüz von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Gespräch mit tagesschau.de. Auch von der Struktur her lasse vieles zu wünschen übrig: WhatsApp verweise häufig auf Links, die nähere Informationen hinsichtlich der Datenverarbeitung geben sollen. „Es ist schwierig, eindeutig einzuschätzen, was mit den Daten tatsächlich passiert.“
Dass mindestens die Unternehmen, die im Rahmen der neuen Funktion mit WhatsApp zusammenarbeiten, einen Teil der Nutzerdaten bekommen werden, sei ziemlich klar. „Dem müssen sich Verbraucher, die die Funktion nutzen, bewusst sein“, betont die Expertin. Zudem wiesen einzelne Formulierungen darauf hin, dass WhatsApp beziehungsweise Facebook daran arbeiten, die Verwendung von Daten in Zukunft noch auszuweiten – zum Beispiel zu Werbezwecken. Außerhalb der EU fließen schon seit 2016 einige Nutzerdaten für Werbung oder zur Verbesserung von Produkten an Facebook. „Wir befürchten, dass sich dadurch auch die Rechtslage für deutsche Verbraucher weiter verschlechtert“, so Öksüz.
Darüber hinaus sei der erzeugte Druck von WhatsApp auf seine Nutzer, dass sie den Bestimmungen zustimmen müssen, um die App weiter verwenden zu können, kritisch zu sehen. „Das hätte man auch andersherum lösen können: Nur wer die neue Funktion nutzen und mit den Unternehmen kommunizieren will, muss seine Zustimmung erteilen“, meint die Expertin.


Verbraucherzentrale empfiehlt Wechsel
Was können Verbraucher also für die eigene Sicherheit tun? „Man kann eigene Spuren selbst verringern: Nutzer sind zum Beispiel nicht dazu verpflichtet, ihren richtigen Namen anzugeben“, sagt die Verbraucherschützerin gegenüber tagesschau.de. Neben einem Pseudonym könne der Verzicht von Profilfotos, dem Teilen von Standorten oder Statusmeldungen helfen, die eigenen Daten zu reduzieren. Auch innerhalb der Chats sollten User trotz der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung keine sensiblen Informationen preisgeben.
Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt in einer Analyse den Umstieg auf andere Messenger, die Daten nicht zu Werbezwecken verwenden oder weitergeben. Etwa Signal, Threema und Wire seien deutlich datensparsamer als WhatsApp und würden kaum Metadaten – die Informationen, wer mit wem wie häufig Nachrichten austauscht – auswerten. Die Dienste seien außerdem ohne eine Kontakt-Synchronisation sinnvoll nutzbar.


Bei Threema müsse nicht einmal die Handynummer angegeben werden. Der Messenger sei allerdings kostenpflichtig. „Es gibt nicht die eine App, die eine Komplettlösung für alles anbietet, was man will und braucht“, so Öksüz. Ein Problem für viele: Fast jeder in Deutschland nutzt WhatsApp. Die Plattform zählt hierzulande fast 60 Millionen User und ist damit unumstrittener Marktführer.
Das macht einen Wechsel zu einer einzelnen App nicht leicht. Doch auch da hat die Verbraucherschützerin einen Tipp: „Sollte der komplette Umstieg schwerfallen, kann man parallel auch ein oder zwei datensparsamere Dienste zusätzlich nutzen, um mit seinen Kontakten wie Freunden und Verwandten weiterhin kommunizieren zu können.“ Damit gebe man zumindest weniger Daten an WhatsApp preis.