Die Polizei Wilhelmshaven ermittelt gegen eine Mitarbeiterin des Impfzentrums Friesland in Schortens. Sie soll in sechs Fällen den Impfstoff durch Kochsalzlösung ersetzt haben.
Am Sonntagvormittag gab der Landkreis auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Details bekannt. Demnach soll sich der Vorfall am Mittwoch um kurz vor 8 Uhr ereignet haben. Nach Angaben des Leiters des Impfzentrums, Uwe Nitsche, hatte die Mitarbeiterin des DRK-Kreisverbandes Jeverland die Aufgabe, die Spritzen für die Impfungen vorzubereiten. Dabei fiel ihr offenbar eine Ampulle mit dem Biontech-Impfstoff auf den Boden und zerbrach. Um das Missgeschick zu vertuschen, soll sie daraufhin Spritzen ausschließlich mit der zur Verdünnung vorgesehenen Kochsalzlösung aufgezogen haben. Landrat Sven Ambrosy (SPD) sprach von einem „dramatischen“ Vorfall.
Antikörpertest und Bürgertelefon für rund 200 Betroffene
Alle zuständigen Behörden seien sofort verständigt worden, sagte Ambrosy. Die rund 200 Menschen, die am betroffenen Tag bis 13 Uhr im Impfzentrum Friesland behandelt wurden, werden nach Angaben des Landrats über den Vorfall informiert und sollen am 5. Mai einen Antikörpertest erhalten. So wollen die Behörden herausfinden, wer die sechs Personen sind, denen statt des Vakzins die Kochsalzlösung verimpft wurde. Ambrosy betonte, dass für die Betroffenen dadurch keine Gesundheitsgefährdung bestehe. Der Landkreis hat für Betroffene zudem unter der Telefonnummer (04461) 919 70 15 ein Bürgertelefon eingerichtet. Es ist morgen von 8 bis 16 Uhr erreichbar.
Mitarbeiterin nach Geständnis sofort entlassen
Die DRK-Mitarbeiterin, eine examinierte Krankenschwester, die rund 40 Jahre alt sein soll, hatte nach Angaben von Impfzentrums-Leiter Nitsche den Vorfall zunächst verschwiegen. Später sei der Druck dann aber offenbar so groß gewesen, dass sie sich am Sonnabend einer Kollegin anvertraute, sagte Nitsche. Diese habe daraufhin die Verantwortlichen informiert – „schweren Herzens“, da sie nicht als Verräterin dastehen wollte. „Wir habe die Beschuldigte daraufhin zur Rede gestellt und sie hat alles zugegeben“, so Nitsche. Anschließend sei sie sofort von ihrer Tätigkeit entbunden worden. Mittlerweile hat sie vom Deutschen Roten Kreuz zudem die fristlose Kündigung erhalten.
Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung
Die Polizei Wilhelmshaven hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung eingeleitet. Die Frau habe bei ihrer Vernehmung umfänglich ausgesagt, sagte Sprecher Heiko von Deetzen. Als Motiv habe sie angegeben, so gehandelt zu haben, um nicht über die heruntergefallene Ampulle informieren zu müssen. Die Erklärung erscheine plausibel, sagte von Deetzen. Die Beschuldigte habe authentisch und betroffen gewirkt. Er gehe daher davon aus, dass es mit großer Sicherheit keine weiteren Fälle gibt. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg müsse nun die strafrechtliche Relevanz prüfen.
Erneute Impfung nach drei Wochen möglich
Mit Blick auf die rund 200 Betroffenen sagte der Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz, es sei nicht auszuschließen, dass auch korrekt geimpfte Personen beim Antigentest in knapp zwei Wochen keine Antikörper aufweisen. Von daher sei es möglich, dass mehr als sechs der 200 Personen noch einmal geimpft werden. Die Impfung der Betroffenen soll den Angaben zufolge drei Wochen nach dem ursprünglichen Termin erfolgen: am 12. Mai .
Landrat ordnet Vier-Augen-Prinzip an
Landrat Ambrosy sagte, für ihn habe es jetzt „oberste Priorität, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu kontaktieren und zu verhindern, dass solch ein Vorfall wieder möglich wird“. Da die Mitarbeitern allein gehandelt habe, habe er im Impfzentrum ab sofort ein Vier-Augen-Prinzip vorgegeben, sodass immer zwei Personen beim Aufziehen der Spritzen anwesend sind. Wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums erklärte, soll ein solches Vorgehen auch mit den anderen Impfzentren besprochen werden.
Behrens spricht von „abscheulicher Tat“
Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) teilte am Sonntag mit, sie sei „fassungslos und erschüttert“. Es handele sich um ein schweres Vergehen. „Jetzt liegt es bei Polizei und Staatsanwaltschaft, diese abscheuliche Tat gemeinsam mit den verantwortlichen Akteuren des Landkreises Friesland aufzuklären.“ Fachleute des Ministeriums und des Landesgesundheitsamts würden hierbei „mit ganzer Kraft“ unterstützen, versprach Behrens.